Die Zauberquelle
Madame nahm dieses Lob erfreut entgegen. Sie, die früher einmal steif und schäbig gewesen war, wirkte jetzt in der kostbaren dunklen Kotta und dem Surkot, die sie sich aus Sir Huberts Truhe ausgesucht hatte, gelassen und elegant. Wir hatten die Säume zwar umschlagen und ein paar kleine Mottenlöcher stopfen müssen, doch als sie die Gewänder angezogen hatte, fielen sie in würdevollen Falten um ihre zartgliedrige aufrechte Gestalt, so als wären sie für sie gemacht. Wenn einer Teufel auf ihren Platz verweisen konnte, dann Madame.
An der Kammertür standen zwei bewaffnete Wachen. Auf dem Türrahmen hatte man zwei neue Winkeleisen angebracht, die eine Stange hielten, mit der der Raum von außen verriegelt werden konnte. Sir Hugo hob die Stange mit eigener Hand hoch, und der Kanoniker riß die Tür auf, hielt sich aber gut an einem kalbsledernen Buch mit dem Titel Manuale Exorcistarum fest. Unerträglicher Gestank schlug uns entgegen. »Aha«, sagte der Kanoniker hocherfreut, »das foetur diabolicum. Ganz eindeutig mehr als einer.« Er hatte sich gut vorbereitet. Hinter ihm standen zwei Geistliche mit Kerzen auf langen Stangen, ein Kruzifixträger, ein weiterer Geistlicher mit Weihwasser und Weihwasserwedel und ein fünfter mit einem Weihrauchgefäß, das einen schweren süßlichen Duft verströmte. Ich hielt mir die Nase mit dem Ärmel zu und sah daß die anderen es mir nachtaten. Als wir den Raum betraten, konnten wir niemanden sehen, aber wir merkten, woher der Gestank kam. Die Wände, die Truhen, ja sogar das Bett waren mit menschlichem Kot beschmiert. Auf dem Fußboden standen Lachen von Erbrochenem. Der Weihrauchduft vermischte sich mit dem Gestank im Raum, so daß es noch ekelhafter roch.
»Beim Namen unseres allmächtigen Herrn Jesus Christus befehle ich dir, komm herfür«, sagte der Kanoniker und hob die rechte Hand. Wir hörten leises Knurren und Rascheln, und ein Paar glitzernde Augen spähten hinter dem Kopfende des Bettes hervor. Lady Petronilla war nicht wiederzuerkennen, ihr Haar war verfilzt und dreckig, ihr Gesicht aufgedunsen, die Haut seltsam fleckig und voller vorzeitiger Falten und Runzeln. Sie trug nichts als eine verdreckte Kotta, die nicht verschnürt war und ihr fast vom Leib fiel, und darunter ein Hemd, das sie anscheinend eigenhändig zerfetzt hatte. »Eure Knechte sollen sie fangen und fesseln«, sagte der Kanoniker zu Sir Hubert, und der gab den Befehl mit einem Winken der behandschuhten Hand weiter. Sie kreischte und schrie, als man sie an den Füßen unter dem Bett hervorzog, sie rief um Hilfe, begann zu zucken, bekam Schaum vor den Mund und versuchte alle zu beißen, die sie anfassen wollten. Sie schien die Kraft von zehn Menschen zu besitzen, daher dauerte es lange, bis eine Schar stämmiger Knechte sie endlich fest auf einem Brett verzurrt hatte, um sie zur Kirche zu schaffen. Sie fluchte, forderte Gerechtigkeit, fauchte und knurrte, als sie in den besonnten äußeren Burghof geschleppt wurde, wo sich eine ansehnliche Schar Gaffer eingefunden hatte.
Ein Knecht hielt meine Stute am Trittstein für mich bereit, und ich mußte daran denken, wie so ganz anders doch der prächtige Zug eine Woche zuvor ausgesehen hatte. Heute gab es keine Fahnen, keine Kinder, statt dessen als Mittelpunkt eine kreischende Frau auf einem Brett. Ich bemerkte Fremde, deren Augen nichts entging. Einige beteten den Rosenkranz oder bekreuzigten sich. Das hier zählte ganz offensichtlich zu den erbaulichen religiösen Erfahrungen, war fast so erhebend wie eine Ketzerverbrennung. Vor uns beugte sich Sir Hubert von seinem großen Schlachtroß und sagte etwas zu Sir Thomas, unserem neuen Priester, der sein kleines braunes Maultier ritt. »Vergeßt nicht, was ich Euch gesagt habe«, flüsterte er mit Trompetenstimme. »Für Euch springt dabei ein neues Dach heraus und für uns vielleicht ein, zwei Wandbilder.« Ich sah Sir Thomas nicken und meinte, ihn antworten zu hören: »Genau wie Ihr gesagt habt, Mylord, das Doppelte für Plätze im Kirchenschiff, eine Spende, vollkommen freiwillig…« Dann verwehte eine Brise seine Worte.
Aus Angst, Lady Petronilla könnte sich losreißen, legte man sie mitsamt dem Brett vor dem Altar nieder. Sie jammerte und stöhnte, so sehr hatte sie der Kampf gegen die Stricke erschöpft, während die Priester psalmodierten und die Stelle vor dem Altar mit Weihrauch befächelten. Der Kanoniker spürte, daß sich bei den Gaffern unerwünschtes Mitleid, gemischt mit grausiger
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