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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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königliches Bankett. Die Frau weiß Ordnung zu schaffen, dachte er bei sich. Ich kann sie zwar überhaupt nicht leiden, aber eines muß man ihr lassen, sie ist von Kopf bis Fuß eine Lady.
    Zur gleichen Zeit disputierte der Kanoniker mit den anderen Geistlichen. »Dem äußeren Anschein nach vermute ich mehr als nur einen Teufel. Sie könnte einen haben, der spricht, und mehrere, die sie anstacheln. Beispielsweise beißt sie… Sir Hugo, was meint Ihr, hat sie mit ihrer natürlichen Stimme gesprochen?«
    »Oh, eindeutig viel tiefer und unnatürlicher«, bestätigte Hugo. »Ihre richtige Stimme ist hoch und lieblich, sie spricht wie eine Lady.« Als Ehegemahl einer Irren war er sich als Zielscheibe des Spotts vorgekommen und hatte sich geschämt. Aber mit einer Frau verheiratet zu sein, die nicht nur von einem Teufel, sondern möglicherweise von ganzen Heerscharen besessen war, gab ihm in der Welt ein gewisses Ansehen. Schließlich mußte eine Frau für Teufel besonders begehrenswert sein, wenn die in sie fahren wollten; und Teufel auszustechen, das konnte kein Mensch von ihm verlangen. Er war kein Trottel mehr, sondern eine edle, tragische Gestalt. »Sagt mir, gibt es noch Hoffnung?«
    Der Abt schüttelte den Kopf. »Bei einem Teufel vielleicht, da möchte es gelingen. Aber wer unter uns ist mächtig genug, um es mit ganzen Heerscharen aufzunehmen?« Der Teufel paßte auch ihm gut ins Konzept. Was sie gesagt hatte, war irre, vollkommen irre und ganz und gar unsinnig. Auch im Palas fand die Teufelstheorie rasch Anklang. Sie war einleuchtend. Sie war dramatisch. Und sie versprach ein wunderbares geistliches Drama, gerade als das prächtige Fest und die Feier zu Ende gehen und sich in diesem kleinen ländlichen Ort wieder Langeweile breitmachen wollte.
    Der Kanoniker schüttelte ernst den Kopf. »Mehr als fünf Teufel gleichzeitig habe ich noch nicht exorziert. Es ist gefährlich, unendlich gefährlich für den, der es auf sich nimmt, diese Teufel auszutreiben.« In einem Anfall ekstatischer religiöser Inbrunst warf sich Hugo dem Kanoniker zu Füßen.
    »Oh, rettet sie, rettet sie, heiligster aller heiligen Männer!« rief er und genoß dabei gleichzeitig die Blicke, die auf ihn gerichtet waren. Insbesondere die der Frauen, die ihn gewißlich wegen seiner aufopfernden Liebe bewunderten, denn von dieser treu ergebenen Seite hatte man ihn noch nicht kennengelernt. Und während er dem Kanoniker die Spitze des schmutzigen Schuhs küßte, erwärmte er sich für seine neue Rolle: der tragische Halbwitwer, der des weiblichen Trostes bedurfte.
    »Meine Gemahlin, müßt Ihr wissen – ich habe alles versucht –, ich kann sie nicht verlassen – ich kann Euch nur meine kniefällige Verehrung versprechen…« Ich muß sofort alle Schellen von meiner Rüstung entfernen lassen, dachte er.
    Der Kanoniker war hoch zufrieden. Ein schlachtenerprobter Ritter, der vor ihm zu Kreuze kroch und errettet werden wollte. Ich bleibe mehrere Wochen und gehe die Sache nach und nach an, dachte er. Man wird mich in ganz Europa feiern. Eine rosige Wolke aus Heuchelei und Selbstgefälligkeit umgab beide, Sir Hugo und den Kanoniker. Bis auf einen blieb sie allen Zuschauern des Dramas verborgen.
    »Gilbert, sieh dir nur Sir Hugo und den Kanonikus an. Sie wirken fast, als wären sie ineinander verliebt.« Gilbert, der sich gerade vergewisserte, ob Margaret auch nichts passiert war, schaute auf und richtete den ironischen Blick auf seinen älteren Bruder.
    »Ich glaube, du hast recht, Margaret. Mir scheint, er greift eine neue Mode auf. Weißt du noch, wie er den Troubadouren nacheifern wollte? Seine Gedichte haben mich fast umgebracht. Wie sich wohl die neue Mode macht? Irgend etwas sagt mir, daß ich sie nur ertragen kann, wenn ich sie als Strafe für meine Sünden auffasse.«
    »Wie auch immer, er wird auch weiterhin den Frauen nachstellen«, sagte Margaret und zupfte sich das Gewand über dem leicht gewölbten Leib zurecht.
    »Du mußt fort von hier, Margaret. Ich möchte nicht mehr hier sein, wenn sie die Teufel exorzieren. Oder bis die Pilger in Scharen herbeiströmen, sowie sich die Kunde verbreitet hat. Und eines kannst du mir glauben, die nehmen als Andenken auch noch die Türpfosten mit.«

Kapitel 19
    P riester, überall Priester. Auf Schritt und Tritt Priester. Gilbert, du kannst mich doch jetzt nicht im Stich lassen, ich brauche jemanden, der ihre Sprache spricht. Gott allein weiß, was sie alles anrichten, wenn niemand sie in Schach

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