Die Zauberquelle
hält.«
»Aber genau deshalb sollte ich abreisen, Vater. Sie mißtrauen jedem, der Lesen kann oder gar Latein beherrscht. Ihr kommt besser ohne mich zurecht.« Ich merkte, daß Gilbert an Boden verlor, und das Herz sank mir in die Schuhe. »Außerdem«, fuhr er fort, »muß Margaret nach Hause und sich ausruhen. Diese Attacke mit dem Tranchiermesser hat sie sehr mitgenommen, sie will heim.«
»Ausruhen? Ausruhen? Sie kann sich hier ausruhen. Die Stadt ist ein ungesunder Ort. Nichts als faulige Luft. Denk doch nur an die Wälder, die Felder, die linden Lüfte! Kann einer Frau, die ein Kind erwartet, nur guttun. Außerdem ist es Hugos Schuld, daß das Weib herausgekommen ist. Er hat vergessen, die Tür abzuschließen, als er seine Truhe und seine Falken aus dem Turmzimmer geholt hat. Das passiert nicht noch einmal. Gut, dann ist es also abgemacht. Also, Gilbert, eine Partei will in der Kapelle exorzieren und die andere will dazu in die Kirche. Was soll ich ihnen sagen?«
»Sagt ihnen, sie sollen dazu in die Kirche gehen. Sonst habt Ihr Tausende von Gaffern in der Kapelle, die alle die Gastfreundschaft Eures Hauses in Anspruch nehmen wollen. Sagt ihnen, die Kirche ist heiliger, auch wenn es Euch schwer ankommt, auf Eure Bequemlichkeit und die große Ehre zu verzichten, daß Ihr jedoch wißt, wie schwierig das Ganze ist und daß Ihr nichts unversucht lassen wollt, die Herrin von Brokesford von all ihren Teufeln zu befreien.«
»Die Herrin von… O die Schande, Gilbert, die Schande.« Kopfschüttelnd stapfte der alte Mann im Söller auf und ab. Madame und ich nähten vor uns hin und taten so, als lauschten wir nicht, aber die Mädchen spitzten ganz ungeniert die Ohren. »Nicht zu fassen! Und das bei der Sorgfalt, mit der ich die Blutlinien ausgesucht habe. Ich habe mir den Erzeuger angeschaut, desgleichen die Brüder. Allesamt gesund. Ich bin jedoch zu dem Schluß gekommen, daß dort Inzucht herrscht. Da gibt es eine Erbkrankheit, denn die Mutter haben sie vor uns versteckt, haben gesagt, sie wäre krank. Beim Heiratsgelöbnis sah sie einigermaßen gesund aus, wenn auch blaß und geschwollen um die Augen herum. Aber nur ein wenig. Sie hätte um ihren in Frankreich gefallenen Bruder geweint, sagte man mir. Aber nun weiß ich es besser. Ich weiß Bescheid. Den gleichen Ausdruck habe ich auf unserem Fest in den Augen ihrer Tochter gesehen. Verdammt! Verdammt! Wieso habe ich nur keinen Verdacht geschöpft? Eine Familie mit dem Geld und dem Stammbaum, warum sollte sie sich ausgerechnet mit dem Erben eines bescheidenen Besitzes in einem fernen Teil des Landes verbinden? Man wollte mir beschädigte Ware andrehen, Gilbert. Ich schäme mich, daß ich mich so habe hereinlegen lassen. Teufel! Daß ich nicht lache! Schlechtes Blut – und sonst gar nichts.«
»Sagt das nicht noch einmal, Vater. Haltet Euch an die Teufel. Das macht alle glücklich und enthebt Euch der Peinlichkeit.«
»Gut, dann also Teufel. Hunderte von Teufelchen. Eine Tragödie und nicht Dummheit. Selten. Ungewöhnlich. Auf eine grausige Art sogar faszinierend. Sie sind schon im Anmarsch, Gilbert. Pilger mit Glotzaugen, Priester ohne Pfarre, alte Frauen, die sich am Unglück anderer weiden. Ich sehe sie im Dorf, wo sie nach dem Weg fragen. Das Gästehaus des Klosters quillt über, und heute morgen habe ich bereits ein halbes Dutzend am Tor abgewiesen. Hol's der Henker, warum muß ausgerechnet mein Haus von Teufeln heimgesucht werden?«
»Wenn ich Bruder Malachi wäre, würde ich vorschlagen, daß Ihr Eintritt nehmt.«
»DER! DER hat mich doch ins Unglück geritten. Ich habe Sorgen, SORGEN! Und zu allem Überfluß noch Teufel! Ich nehme Eintritt, so wahr ich lebe! Dafür schuldet man mir etwas, man SCHULDET mir etwas!«
»Gilbert, ich sehe nicht ein, warum ich dabeisein muß. Ich möchte wirklich nicht.« Wir hatten den Kanoniker und den neuen Priester und einen ganzen Schwarm von Geistlichen am Tor empfangen und zogen nun in feierlicher Prozession mit einem Riesenkruzifix und einem Reliquiengefäß mit einem Haar vom Bart Johannes' des Täufers zum Turmzimmer, um es zu entriegeln, Lady Petronilla herauszuholen und in die Kirche zu schaffen.
»Der Kanonikus hat gesagt, die Teufel haben eine besondere Abneigung gegen dich gefaßt und lassen sich vielleicht bewegen, in deiner Anwesenheit mehr aus sich herauszugehen. Außerdem bin ich auch noch da, und du hast eine Lady zu deiner Unterstützung. Madame behält in Krisenzeiten einen ungemein kühlen Kopf.«
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