Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

den Karikaturen an der Wand sein Konterfei entdeckt.
    Wieder erscheint Deborah an der Tür des Warteraumes. »Es ist jetzt so weit«, verkündet sie.
    Wir erheben uns und gehen zur Tür, hinter der mein Vater steht. Ich kann es kaum erwarten. Am liebsten würde ich sie eigenhändig aufreißen.
    Die Tür öffnet sich einen Spalt breit. Dad hat keine Ahnung, dass wir hier sind. Woher sollte er es auch wissen? Er nimmt bestimmt an, er wäre ganz allein hier.
    Seine Haare sind grauer als bei unserer letzten Begegnung, und er wirkt etwas schmaler, aber als er den Kopf hebt und mich erblickt, ist er auf einmal wieder ganz der Alte – groß, kräftig, vital und durch nichts und niemanden aufzuhalten.
    »Alex!«, ruft er und streckt die Arme nach mir aus. Er strahlt über das ganze Gesicht.
    »Hi, Dad!« Ich laufe ihm entgegen.
    Wir umarmen uns eine halbe Ewigkeit lang. Er riecht genau wie in meiner Erinnerung, nach seiner Seife Marke »Ivory« und ganz leicht nach Aftershave.
    Er nimmt mein Gesicht in die Hände und sieht mir in die Augen.
    »Ich wusste doch, dass ich dich wiedersehen würde!«, stößt er hervor. »Ich gehe jetzt zu Alex, habe ich zu Mom gesagt. Ich soll dich von ihr grüßen. Ich hoffe nur, es geht ihr gut da unten.«
    »Wir werden sie besuchen und sie wissen lassen, dass alles okay ist«, sage ich und umarme ihn noch einmal.
    »In Ordnung«, flüstert er. »Das musst du mir unbedingt beibringen.«
    »He, und was ist mit mir?«, beschwert sich Grandmom und streckt die Arme aus. Dad drückt sie lachend an sich.
    »Immer noch derselbe alte Feldwebel wie eh und je.«
    »Irgendjemand muss doch in dieser Familie für Recht und Ordnung sorgen«, scherzt sie.
    Als Nächstes sind Grandpop und Onkel Morris dran.
    »Das könnt ihr auch später noch nachholen«, fährt Grandmom dazwischen. »Los, los, Bill, bei Alex zu Hause warten bereits alle deine Lieblingsgerichte auf dich. Wie ich dich kenne, hast du einen Bärenhunger. Das Auto steht gleich hier vor dem Ausgang.« Sie hakt sich bei ihm unter, und wir machen uns auf den Weg.
    »Du fährst noch denselben alten Cadillac?«, staunt mein Dad gleich darauf. »Lieber Himmel, Evelyn, wer hätte gedacht, dass du dieses Auto so lieben würdest, bei all dem Gemecker, das ich mir deswegen anhören musste.«
    Sie zuckt die Achseln. »Der tut es noch eine Weile. Außerdem wollte ich warten, bis du einen neuen Wagen für mich aussuchst. Aber diesmal bitte keinen so auffälligen Schlitten mehr. Alex fährt einen netten kleinen; vielleicht etwas in diese Richtung.«
    »Ich habe einen Porsche, Dad.« Ich verdrehe die Augen, und wir kichern in uns hinein.
    Adam und Ruth erwarten uns schon in der Auffahrt. Peaches hopst aufgeregt bellend um sie herum. Ruth hat mit Wachskreiden ein Schild mit der Aufschrift »Willkommen zu Hause, Grandpop« gemalt. Arm in Arm betreten wir das Haus.
    Wenig später sitzen wir nebeneinander in meinem Esszimmer, umgeben von unserer himmlischen Familie. Wie üblich reden alle durcheinander. Grandmom und Onkel Morris tauschen die neuesten Klatschgeschichten aus, Adam und Grandpop diskutieren das Phillies-Spiel vom Vorabend, Ruth lässt Peaches nach Räucherlachsstückchen springen, die sie ihr vor die Nase hält. Dad sitzt stumm dazwischen und muss das alles erst einmal verdauen.
    Schließlich schluckt er seinen letzten Bissen Bagel mit Räucherlachs hinunter und wirft einen Blick in die Runde, während ihm Ruth auf den Schoß klettert.
    »So ist es also im Himmel.«
    Ich lege lächelnd meine Hand in seine. »Ja, Dad«, sage ich. »So ist es im Himmel.«

Die Originalausgabe THE TEN BEST DAYS OF MY LIFE
erscheint bei Dutton
    Verlagsgruppe Random House
    3. Auflage
Vollständige deutsche Erstausgabe 04/2008
    Copyright © 2008 by Adena Halpern Copyright © 2008 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
    Umschlagfoto: © The Image Bank/Getty Images
Umschlagillustration: Eisele Grafik-Design, München
    eISBN : 978-3-641-02431-4
     
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