Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
widerhallte. Ihre Mutter, die sie in einer Lache aus Blut gefunden hatte. Onkel Max, der sie nach Stratton Hall fuhr, ihre kleine Schwester, die ihr zum Abschied um den Hals gefallen war. Bess, die im Park auf sie wartete. Michael, der wunderbare Michael, der im Auto neben ihr saß, während der Fahrtwind in seinen Haaren spielte. Raphael, der Unfassbare, der sie in den Armen hielt, damals, in jenem Kloster im Himalaya. Naral und Uriel, Samael, Siriel, James, Robert, Allys, Kathryn und Tobi, William, der tapfere starke William, Lilith, die wunderschöne Lilith…
Und plötzlich durchzuckte Eleanor die Erkenntnis, dass es diese wunderschöne und starke Lilith war, die an Raphaels Seite gehörte. Es konnte keinen Zweifel daran geben. Wenn Raphael nur dasselbe für sie empfände wie sie für ihn, dann…
Noch immer waren Eleanors Augen auf das schwarze Loch am Himmel gerichtet, aus dem bis eben unzählige erfrorene Seelen hinab geregnet waren. Jetzt aber hatte der unheimliche Regen nachgelassen. Das schwarze Loch rotierte nicht länger um seine eigene Achse, es schien völlig zum Stillstand gekommen zu sein und stattdessen breitete sich aus seinem Innersten heraus ein goldenes Leuchten aus, welches die umliegende Eislandschaft in ein warmes und zutiefst angenehmes Licht tauchte. Das himmlische Feuer war hier, hier an diesem Ort. Es war ihretwegen gekommen, dass wusste Eleanor. Sie schloss die Augen und ergab sich dem Frieden des Lichts.
Ein harter Griff um ihr Handgelenk holte Eleanor wieder in die Gegenwart zurück. Sie öffnete schwach die Augen und sah Raphael neben sich knien. Er sah sie nicht einmal an, denn seine ganze Aufmerksamkeit war in diesem Moment auf Lilith gerichtet, die mit unglaublichen Schlägen und wildem Fauchen Asasel von Eleanor wegtrieb. Ihre Flügel waren weit geöffnet und sie trieb ihn gewaltsam Meter um Meter zurück.
Eleanor blickte ihren Arm entlang. Raphael hielt noch immer ihr Handgelenk umklammert und unablässig strömte dort das himmlische Feuer von ihm zu ihr hinüber. Von Sekunde zu Sekunde fühlte sie sich stärker und wacher. Die lähmende Schwäche schwand nun rasend schnell, doch gerade als sie etwas sagen wollte, ging ein Aufbäumen durch Raphaels Körper und er schrie laut auf.
Lilith mochte die bessere Kämpferin sein, doch Asasel hatte das flammende Schwert. Hatte Lilith auch die ersten Schläge der Klinge einfach weggesteckt, so war sie inzwischen doch so stark verwundet, dass auch das göttliche Feuer in ihr die Wunden nicht mehr schnell genug heilen konnte. Sie war zu Boden gegangen und nun stand Asasel über ihr und schwang das Schwert ein letztes Mal.
„Elendes Menschenweib!“, geiferte er und seiner Stimme haftete kaum noch etwas Menschliches an. Jede Schönheit war aus ihr gewichen und zurück waren allein Hass und unendlicher Zorn geblieben. „Immer stehst du mir im Weg! Aber dem werde ich jetzt ein Ende setzen!“
Asasel holte weit aus, doch in diesem Augenblick wurde er von dem goldenen Lichtstrahl erfasst, der aus dem schwarzen Loch kam und mittlerweile das halbe Firmament erfasst hatte.
Asasel wankte. Er hielt sich die Hand vor Augen um von dem gleißenden Licht nicht geblendet zu werden. Und dann, ganz langsam und zunächst kaum wahrnehmbar, begann sich zwischen ihm und Lilith eine Gestalt zu bilden. Ihre Konturen, zunächst noch schwach und verschwommen, wurden nun deutlicher, gewannen an Form und Tiefe und schließlich stand ein Mensch im Lichtkegel des himmlischen Feuers, ein Mann.
Der Fremde hielt wortlos die Hand empor und bedeutete Asasel das Schwert sinken zu lassen. Raphael vergewisserte sich mit einem letzten Blick, dass es Eleanor gut ging. Dann riss er sich los und rannte zu Lilith hinüber, die verletzt am Boden lag. Aus ihren Wunden strömte Licht, doch Raphael beachtete es kaum. Er sank an ihrer Seite nieder und bettete ihren Kopf in seinen Schoß. Dann senkte er den Blick und es schien, als würde sein Körper von Schluchzern geschüttelt.
Noch immer sah der fremde Mann Asasel an. Schließlich konnte Eleanor seine Stimme hören.
„Sieh, wohin dein Hass dich gebracht hat, Asasel. Du erhebst die Hand gegen jene, die gekommen sind , dich zu retten.“
Asasel sah hilflos zwischen ihm und Lilith hin und her. Endlich fiel das flammende Schwert aus seiner Hand. Es fiel zu seinen Füßen in den Schnee und erlosch für immer. Mit einem klagenden Geräusch ging er vor dem Mann auf die Knie.
„Herr, vergib mir. Ich… ich… meine
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