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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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fasste.
    „Einen Espresso“, sagte sie. Der kleine Mann nickte kurz und sah nun Raphael an. Dieser nickte verwirrt.
    „Zwei Espresso? Kommt sofort.“ Der Kellner verneigte sich noch einmal knapp und lief dann durch das Labyrinth der Tische und Stühle seines Cafés davon.
    „Es gibt nichts, wovor ein Engel Angst hat!“, nahm Raphael das Gespräch wieder auf. Seine Stimme klang ungewöhnlich unsicher und bedrückt. Einem Menschen wäre dies unter Umständen nicht einmal aufgefallen, doch Lilith nahm selbst die kleinsten Nuancen allzu deutlich war. Sie lächelte.
    „Ihr fürchtet euch vor nichts, was an Macht unter euch steht. Das stimmt“, erwiderte sie. „Naturgewalten können euch nichts anhaben. Hunger und Kälte, Waffengewalt… Menschen… all dies sind keine Gegner für euch. Es braucht einen Engel um einen Engel zu töten. Aber bis vor kurzem hätte keiner von euch das ernsthaft in Erwägung gezogen, weil es den eigenen Tod bedeutet hätte. Erst seit es Eleanor gibt, kann keiner von euch sich seines Bruders länger sicher sein. Ihr würdet vielleicht nicht aus niederen Beweggründen gegeneinander antreten und euch töten. Aber Eleanor hat in einigen von euch das Beste wieder hervorgeholt und diese Engel wären gestorben um sie zu schützen. Nicht wenigen von euch hat das eine Scheißangst gemacht!“
    „Zwei Espresso, die Herrschaften.“ Der Kellner war wieder an ihrem Tisch erschienen und stellte zwei Tassen vor ihnen ab, aus denen es verführerisch roch, doch weder Lilith noch Raphael beachteten ihn. Er blieb einen Augenblick unschlüssig stehen und sah auf die beiden Gäste hinab, dich sich offensichtlich mit ihren Blicken maßen. Dann ging er wortlos zurück an seinen Tresen. Er wusste sehr wohl, wann er unerwünscht war.
    „Und in all diesem Durcheinander tauche auch noch ich auf!“, fuhr Lilith fort. „Ich bin euch an Macht ebenbürtig. Ich könnte einen Engel töten, wenn ich wollte. Zudem habe ich die Seele eines Menschen. Das heißt ich kann mich völlig frei entscheiden, ob ich dem Bösen oder dem Guten angehören will. Ich kann die Seiten beliebig wechseln – täglich, wenn es sein muss. Ihr wisst nicht, wie ihr mich einordnen sollt. Ich könnte aus einer Laune heraus beschließen meinem Leben ein Ende zu setzen und dabei einen von euch zu vernichten. Es ist meine Irrationalität, die euch verwirrt. Beständigkeit und Verlässlichkeit, so wie sie euch Engeln zu Eigen sind, sind mir völlig fremd.“
    Raphael starrte in seine Tasse. Trotz der Wärme des Abends stieg ein sanfter Dampf aus der Tasse empor und verbreitete das bittere Aroma des Kaffees um sie herum.
    „Du hast recht“, räumte er schließlich widerstrebend ein. „Mir ist bewusst, dass die Menschen für gewöhnlich das fürchten, was sie nicht kennen. Diesen Wesenszug teilen wir Engel offenbar mit ihnen. In der Regel gibt es aber im Universum nicht allzu viel, was wir nicht kennen. Es ist… eine neue Erfahrung.“
    Lilith nickte und lächelte ihn an. In diesem Augenblick lag etwas Wildes und Unzähmbares in ihrem Blick und es war mehr als offensichtlich, dass sie ihre Macht über die Furcht der Engel genoss. Dann jedoch ging eine Wandlung durch sie hindurch. Ganz plötzlich wurde ihr Blick weich und ihre Hand bewegte sich in die Richtung der Hand Raphaels, die auf dem Tisch lag. Einen Augenblick ließ Lilith ihre Hand über der seinen schweben. Dann zog sie sie zurück.
    „Du sollst mich nicht fürchten“, sagte sie sanft. „Gerade von dir will ich das nicht.“
    Ein gequältes Lächeln zog sich über Raphaels Gesicht. „Die anderen mögen dich fürchten“, erwiderte er. „Ich habe es nie getan. Wer so lange in Apathie gelebt hat wie ich, hat mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt, sich mit dir anzulegen.“
    Lilith sah ihn fragend an und schließlich fing Raphael ihren Blick auf.
    „Die Menschen mögen es Selbstmord nennen“, sagte er, während er sie verstört ansah. „Aber was für sie einfach ist, ist für unsereins schwer. Wir Engel können unser Leben nur auf zwei Wegen auslöschen: entweder kämpfen wir auf Leben und Tod mit einem anderen unserer Art. Oder wir ziehen uns in die Dunkelheit zurück. Wenn wir über einen gewissen Zeitraum kein Licht sehen, so erlischt unser eigenes Licht irgendwann für immer. Allerdings das ist ausgesprochen qualvoll. Wir mögen normalerweise keine Schmerzen verspüren. Aber der Tod durch Finsternis ist die einzige mir bekannte Ausnahme. Ich nehme an, dass es dem sehr

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