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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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derselben Art ist wie die Liebe, mit der ein Mann eine Frau anzusehen vermochte. Ein Kind ist bereit jeden zu lieben, der freundlich zu ihm ist. Doch je älter eine Seele ist, desto schwerer ist sie zu gewinnen, desto schwerer ist es, jenen Panzer zu durchbrechen, der sich im Laufe der Jahre um sie gebildet hat. Und die Seele Raphaels war fürwahr sehr alt…
    Lilith wusste, dass er unentwegt an Eleanor dachte und sich verzweifelt von ihr selbst wegwünschte. Doch sie war nicht bereit jetzt aufzugeben. Sie würde ihn solange an ihrer Seite zu halten versuchen, bis entweder er seine Gefühle für sie entdeckte, oder sie selbst die Hoffnung aufgab.
    Mittlerweile hatten sie die Wolkendecke durchstoßen und hielten sich nun gen Westen. Hier oben waren noch immer die Reste des abendlichen Sonnenlichts zu sehen, das weit hinten am Horizont glomm und die obersten Wolkenzipfel in ein oranges Glühen tauchte.
    In wenigen Minuten hatten sie das adriatische Meer erreicht und hielten nun auf die italienische Küste zu. Gelbliche Lichtinseln unter ihnen zeigten schon bald die Städte und Dörfer des Landes an, welche durch lange Lichtadern miteinander verbunden waren, die der Wissende als Straßen erkannte.
    „Dort ist unser Ziel!“, rief Lilith Raphael durch das Brausen des Flugwindes zu. Sie wies auf eine auffallend große Lichtinsel unter ihnen, in der Raphael die Stadt Rom erkannte. Dann begannen die beiden in einen Sinkflug überzugehen.
    Die Straßen kamen beängstigend schnell näher, nun konnte man bereits die Lichter fahrender Autos erkennen, die Beleuchtung von Straßenlaternen und abertausende heller Fenster, hinter denen Menschen lebten und arbeiteten, liebten und hassten.
    Lilith flog einige Kurven, offenbar auf der Suche nach irgendetwas. Dann hatte sie ihr Ziel gefunden und hielt gerade darauf zu. Kurz darauf landeten die zwei auf dem Dach des Petersdoms.
    Raphael faltete die Flügel zusammen, dann sah er sich etwas widerwillig um.
    „Passt zu dir!“, meinte er. „All die Heiligenfiguren hier oben. Du stehst auf theatralische Orte.“
    Lilith verzog spöttisch den Mund. „Du musst es ja wissen. Verschanzt dich jahrelang in einer Irrenanstalt und wirfst mir Theatralik vor.“
    „Es war keine Irrenanstalt. Es war…“
    Raphael brach den Satz ab und ließ die Schultern hängen. Er hatte heute keine Lust auf Wortgefechte mit Lilith. Sie mochte ihn zwingen können nicht von ihrer Seite zu weichen. Aber das hieß noch lange nicht, dass er auf ihre merkwürdigen Annäherungsversuche eingehen musste.
    Lilith ging derweil an der Balustrade entlang und berührte im Vorbeigehen die Standbilder der Heiligen, welche gütig nach unten auf den Großen Platz hinabblickten. Neben der Statue des Paulus blieb sie stehen und setzte sich auf ihren Sockel. Sie lächelte Raphael herausfordernd an, der noch immer unschlüssig vor ihr stand.
    „Was denkst du?“, fragte sie. „Warum hat Paulus aus der Lehre Jesu eine Organisation gemacht?“
    Raphael stutzte. „Vermutlich, weil er es nicht besser wusste“, antwortete er schließlich. „Vielleicht war die Anhängerschaft des Christentums mittlerweile auch so zahlreich geworden, dass es gewisser Verwaltungsstrukturen bedurfte, um sie alle zusammenzuhalten.“
    Lilith zögerte. Sie senkte den Blick, während ihre Finger mit den steinernen Falten des Umhangs des Apostels spielten.
    „Vielleicht“, sagte sie schließlich. „Vielleicht aber hatte er auch nur erkannt, dass Religion Macht bedeuten kann.“
    „Möglich“, gab Raphael zu. „Nicht umsonst hat Samael damals Jesus in der Wüste zu verführen versucht. Er bot ihm Macht über die Erde und ihre Menschen an. Doch Jesus ging nicht darauf ein. Er hat ihm vierzig Tage lang in der Wüste widerstanden, denn an Macht lag ihm nichts. Wenn man eines Tages stirbt, kann man seine Macht nicht mitnehmen. Man kann gar nichts mitnehmen.“
    Lilith lachte. „Stimmt. Aber nicht jeder Prophet, der aus der Wüste kam, hat dieses Angebot abzulehnen vermocht. Andere sind den Einflüsterungen von Macht erlegen. Sie führten Heere und nahmen Menschenleben, forderten gar ihre Anhänger auf dasselbe zu tun…“
    „Ihr Problem. Gott wird sie richten. Nur schade um all jene Seelen, die ihnen auf den Leim gingen.“
    Erneut erklang Liliths helles Lachen. „Du hast dich weit von jenen Engeln entfernt, die den Menschen das Leben zur Hölle machen , wenn du jene bedauerst, die am Leben und den Einflüsterungen des Bösen scheitern.“
    „Die

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