Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
kniff die Lippen zusammen.
„Und?“, fragte sie. Es klang lauernd und unsicher zugleich.
Langsam beugte sich Raphael über den Tisch zu ihr hinüber. Er sah ihr in die Augen und sagte: „Ich will wissen was da los ist. Und ich werde es herausfinden. Du kannst mich begleiten um sicherzustellen, dass ich zu dir zurückkehre oder du lässt es bleiben. Aber ich werde dieser Sache auf den Grund gehen. Mit dir oder ohne dich!“
Liliths Blick flackerte. Erneut zogen ihre Fingernägel über die Tischplatte und hinterließen tiefe Spuren im Holz. Raphael meinte es ernst, soviel stand fest. Ließe sie ihn jetzt allein gehen, würde sie ihn nie wiedersehen, dessen war sie sich sicher. An seiner Seite zu bleiben wäre unzweifelhaft die bessere Variante. Nur auf diese Weise würde sie ein Auge auf ihm haben können und ihn vielleicht zurückbekommen. Doch dass Eleanor etwas zugestoßen sein musste war selbst Lilith klar, und in diesem Fall würde es wohl schwierig werden, Raphael weiter an sich zu binden. Viel zu wählen gab es hier nicht.
„Ich komme mit dir!“, sagte sie mit fester Stimme. „Wir werden Eleanor finden, du wirst dich von ihrer Unversehrtheit überzeugen und dann wieder mit mir kommen!“
Raphael sah sie ernst an und nickte dann schweigend.
Wortlos erhoben sie sich und Lilith legte etwas Geld für den Espresso auf den Tisch.
„Du hast Geld bei dir?“, fragte Raphael überrascht.
„Unter Menschen vermeide ich mittlerweile Aufsehen“, erwiderte Lilith. „Es ist besser so.“
Dann verließen sie das Café. Keiner von beiden hatte seinen Espresso angerührt und allein die schwer ramponierte Tischplatte zeugte noch von ihrem Besuch und dem Gespräch, das hier stattgefunden hatte.
Nur wenig später flogen sie über die nächtliche Stadt davon und hielten auf den westlichen Nachthimmel zu.
D er achte Kreis – Die Nebelwelt
Michael und Elizabeth sahen sich um. Noch immer rasten tief über ihren Köpfen die brennenden Wolken dahin und noch immer schien das Ziel – jener finstere Ort am Horizont, dem die Wolken zustrebten um dort in dunkelste Finsternis überzugehen – unendlich weit entfernt. Ebenso wie der tiefliegende Himmel mit seinen Feuerströmen hier alles in einen unruhigen Lichtschein tauchte, so war zudem der Boden, die umliegenden Felsen und selbst die knorrigen blattlosen Bäume am Wegesrand von denselben Flammen bedeckt, die unablässig an allem leckten und doch nichts zu verzehren vermochten. Die Luft flimmerte vor Hitze und die ganze Welt brannte.
Elizabeth fröstelte.
„Es ist merkwürdig, oder?“, fragte Michael, dem ihre Bewegung nicht entgangen war. „Unser Auge sieht etwas vollkommen anderes als das, als wir innerlich fühlen.“
„Kein Wunder“, erwiderte Elizabeth, während sie sich voll Unbehagen umsah. „Diese Welt ist verflucht. An ihr ist nichts so wie es sein sollte…“
Zaghaft gingen sie weiter. Immer wieder loderten in ihrem Umfeld mächtige Feuerlohen auf, deren Flammen oft zwanzig oder dreißig Meter hoch in den Himmel schossen. Doch auch wenn diese Flammen die Luft vibrieren und erzittern ließen, so taten sie doch den beiden Menschen nichts an, die sich tapfer ihren Weg durch das brennende und schwelende Chaos bahnten. Seelen lassen sich nicht verbrennen und keiner der beiden war mit seinem irdischen Körper hier. Eine Gefahr für sie würde an diesem Ort nicht von ihrer Umwelt ausgehen, sondern allein von den anderen Seelen, die sie hier treffen mochten. So sahen die zwei sich fortwährend nach möglichen Verfolgern um und sprachen mit gesenkten Stimmen, wann immer sie sich unbemerkt glaubten. Bisher war Jonathan Towers der einzige gewesen, den sie in der Hölle getroffen hatten, und dieser war ihnen nicht gefolgt. Aber es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis sie auf die erste Seele oder den ersten Dämon stießen, der ihnen gefährlich werden konnte.
„Sag mal, Elizabeth“, begann Michael nach einiger Zeit. „Hätte Jonathan Towers uns eigentlich etwas antun können? Bei dir mag es ja anders sein, aber zumindest meinen Körper kann doch von hier niemand erreichen…“
„Ich weiß nicht wie es mit den Seelen von Verstorbenen aussieht“, erwiderte Elizabeth. „Aber ein Dämon kann dir sehr wohl Leid zufügen. Immerhin können sie dich an diesem Ort festhalten und das ist schon Strafe genug. Gegen den Willen eines Dämons kann niemand die Hölle verlassen. Abgesehen davon haben sie aber auch andere Macht über uns. Sie können
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