Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
und die mächtigen Standbilder der Heiligen standen erneut im Dunkel der Nacht. Allein die Lichter der Stadt hinterließen noch ein paar letzte glimmende Lichtinseln in den jahrhundertealten Furchen und Falten ihrer steinernen Gesichter.
    Raphael und Lilith landeten nur wenige Augenblicke später in einer Seitengasse am Vatikan und nahmen menschliche Gestalt an. Raphael wie üblich in Jeans und hellem Hemd, Lilith hingegen in einem roten Designerkleid. Raphael zog bei diesem Anblick eine Augenbraue hoch. „Es passt zu dir, aber vielleicht wäre etwas weniger Auffallendes die bessere Wahl.“
    Erstaunt sah Lilith an sich hinab. Dann nickte sie und im selben Moment stand sie in Jeans und T-Shirt vor ihm, passend zu der warmen Sommernacht. Sie sah atemberaubend aus.
    „Meine Erscheinung ändern zu können, habe ich immer am meisten geliebt“, sagte sie lachend. „Ist es so besser?“
    Raphael sah an ihr hinab und nickte. Dann zog er sie hinter sich her in Richtung auf die belebteren Hauptstraßen. Sie tauchten in das Nachtleben der Stadt ein, gingen unter den alten Straßenlaternen entlang und beobachteten die Menschen um sie herum.
    „Manchmal beneide ich sie um ihre Sorglosigkeit“, sagte Lilith nach einer Weile.
    „Was meinst du?“
    „Die Menschen. Sie sind sich der Gefahr die unablässig um sie lauert gar nicht bewusst. Sie teilen sich ihre Welt mit zahllosen Engeln und Dämonen. Ein jeder von denen könnte sie durch ein Augenzwinkern vernichten. Aber sie sind so blind und sehen all das nicht. Wäre es anders würde ihre Welt vermutlich in Angst und Chaos versinken!“
    „Ja, wahrscheinlich“, gab Raphael zu. „Was führt dich zu solch trüben Gedanken?“
    „Manchmal sehne ich mich nach den Zeiten zurück, in denen ich von all dem nichts wusste“, erwiderte Lilith zögernd. Dann atmete sie tief durch. „Aber nie sehr lange. Sobald ich an meine Ängste und Sorgen aus dieser Zeit zurückdenke bin ich froh, dass ich heute bin was ich bin!“
    Raphael nickte bedächtig. „Bereust du denn, was du in den letzten Jahrtausenden an Sünden begangen hast?“, fragte er schließlich.
    Lilith lachte auf. „Jetzt klingst du wie ein Geistlicher. Willst du mich auf den rechten Weg zurückführen?“
    „Nein. Ich habe nur Schwierigkeiten dich zu verstehen. Du bist sehr schwer einzuschätzen.“
    „Ich bin ein Mensch!“ Lilith sah beinahe stolz aus, während sie das sagte.
    Raphael sah sie an. Dann musste er lächeln. „Ich weiß. Aber es fällt mir schwer zu verstehen wie ein Mensch sündigen kann, ohne sich schuldig zu fühlen.“
    „Wer sagt denn, dass ich mich nicht schuldig gefühlt habe?“, zischte Lilith plötzlich. „Ich sagte doch, die Macht von euch Engeln wirkt auf einen Menschen wie ein Rausch. Ich habe nie einen Menschen vorsätzlich und geplant getötet. Es geschah immer aus Wut oder Enttäuschung wie aus einem Reflex heraus.“
    Noch immer gingen die beiden langsam unter den Bäumen einer Allee entlang. Die Straßenlaternen verbreiteten ein warmes Licht und die beständigen Gespräche und das Lachen anderer Passanten mischte sich mit dem Rauschen der Stadt. Es war eine friedliche Nacht über Rom hereingebrochen. Einem Impuls folgend ergriff Raphael plötzlich Liliths Hand und zog sie zu einem kleinen Straßencafé am Rand der Allee. Sie setzten sich an einen der Tische und Raphael sah Lilith neugierig an. „Willst du mir wirklich weismachen, du hättest niemals vorsätzlich gehandelt?“, fragte er. „Hast du niemals einen Menschen mit voller Absicht in den Tod befördert?“
    Lilith legte den Kopf schief und sah Raphael eine Weile schweigend an. „Was glaubt ihr Engel eigentlich von mir?“, fragte sie schließlich leise und beherrscht. „Ihr scheint mich für eine Massenmörderin zu halten. Für irgend so ein krankes Wesen, dass es eigentlich gar nicht geben dürfte. Glaubst du ich würde ein Interesse an dir haben, wenn ich so böse bin wie alle zu glauben scheinen? Ich habe den Eindruck, dass ihr Engel ein Problem mit mir habt, weil ich euch an Macht gleiche, aber ihr mich nicht einschätzen könnt. Für euch bin ich unkalkulierbar. Ich bin das einzige Wesen in Gottes Schöpfung, an das ihr nicht herankommt. Ihr habt Angst vor mir!“
    „Was wünschen Sie?“
    Ein kleiner dicker Mann mit einem Tablett in seiner Rechten war als Bedienung an ihrem Tisch erschienen und sah sie erwartungsvoll an. Raphael und Lilith blickten irritiert zu ihm auf, doch es war Lilith, die sich zuerst

Weitere Kostenlose Bücher