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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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Feuerlohe in ihrer unmittelbaren Umgebung aus einer Reihe knorriger toter Bäume, die finster drohend am Wegesrand standen, empor. Michael fasste Elizabeth unter die Arme und zog sie hoch.
    „Wir sollten hier nicht bleiben“, sagte er. „Diese Flammen mögen uns nichts anhaben können weil wir keine Hitze spüren. Aber ihr Anblick schlägt mir aufs Gemüt. Wenn wir noch länger hierbleiben, werde ich noch schwermütig.“
    „Das ist es, was die Hölle mit dir macht“, erwiderte Elizabeth lapidar. Langsam gingen die beiden weiter.
    Sie waren indes noch nicht weit gegangen, als eine weitere Feuersäule ihnen den Weg versperrte. Urplötzlich hatte sie sich mitten auf dem Weg gebildet und stand dort jetzt, eine Wand aus Flammen , die sich zur Spitze hin verwirbelten und dort einen Tanz aus Wahnsinn und wilder Ekstase tanzten, zu einer Melodie, die kein menschliches Ohr zu hören vermochte.
    Die beiden blieben wie angewurzelt stehen und warteten ab. Bisher hatte keine dieser Feuersäulen sich länger als ein paar Augenblicke gehalten, aber diese hier schien von anderer Art zu sein. Sie blieb minutenlang an ihrer Stelle stehen, wankte dabei nur wenig und ließ auch kaum in ihrer Intensität nach. Dann breitete sie sich plötzlich mit einem tosenden Fauchen aus, beschrieb dabei einen Kreis und schloss Michael und Elizabeth vollkommen ein. Die beiden standen nun im Innern eines Flammenkreises, der so hoch war, dass sie ihre Umgebung nicht mehr länger sehen konnten und unwillkürlich rückten sie näher aneinander heran. Als Michael Elizabeth schließlich fragend ansah, sackte die Flammenwand urplötzlich in sich zusammen und war von einem Augenblick auf den anderen verschwunden.
    „Was zum Teufel war das…?“, hörte Elizabeth Michael fragen. Doch sie selbst war viel zu sehr von dem Anblick, der sich ihnen bot erstaunt, als dass ihr eine passende Antwort eingefallen wäre.
    Die Landschaft, in der sie eben noch gestanden hatten, war verschwunden und hatte einem gänzlich anderen Szenario Platz gemacht. Statt in der hügeligen Landschaft um Stratton befanden sie nun in den Straßen einer großen Stadt, deren Häuser sich düster und unheimlich in den wild und rot lodernden Himmel reckten. Und ebenso, wie die Welt zuvor in Flammen gestanden hatte, so tat sie es auch hier. Überall brannte es, auf jedem Stein, jedem knorrigen Baum flackerten winzigste Flämmchen. Am Straßenrand standen ausgebrannte Fahrzeugwracks, die noch immer von Feuer umgeben waren. Aus den zersplitterten Fenstern der Häuser schlugen hohe Flammensäulen, die Wände und Dächer waren ebenso von jenem leckenden und kriechenden Feuer bedeckt wie der Asphalt auf dem sie standen.
    „Zurück!“, zischte Michael plötzlich und stieß Elizabeth in einen Hauseingang hinter sich.
    „Was ist?“, flüsterte sie. „Was hast du gesehen?“
    Vorsichtig beugte Michael sich vor und blickte die Straße hinunter, in der er eine Bewegung gesehen zu haben glaubte. Dann zuckte er blitzschnell zurück und sah Elizabeth fassungslos an.
    „Da sind merkwürdige Wesen!“, flüsterte er stockend. „Einige sitzen in den brennenden Autos am Straßenrand. Aber ich hab auch welche in den Fenstern der Häuser gesehen. Sie haben ungewöhnlich lange Glieder und eine komische graue Haut.“
    Elizabeth sah ihn argwöhnisch an. Dann beugte sie sich an ihm vorbei und blickte die Straße entlang. Von einem Augenblick auf den anderen durchlief ein Zittern ihren Körper. Michael konnte spüren wie sich ihr ganzer Körper versteifte, als sie sich wieder zu ihm in die vermeintliche Sicherheit des Hauseingangs zurückzog. Er sah sie neugierig an.
    „Was sind das für Viecher?“, fragte er.
    „Akoloythoi!“, stammelte Elizabeth tonlos. Plötzlich war auch das letzte bisschen Stärke aus ihr gewichen. Mit hängenden Schultern und verzweifeltem Gesicht wandte sie sich ihm zu.
    „Ako… was?“, fragte er.
    „Akoloythoi. Sie sind die Geier der Hölle!“
    „Geier? Wovon redest du? Was ist ein Akolythoi?“
    „Akoloythos!“, erwiderte Elizabeth abwesend. „Im Plural heißt es Akoloythoi. Das griechische Wort für Diener. Sie sind die, die in der Hölle die Drecksarbeit erledigen!“
    Sie sah zu Michael auf, der sie mit gerunzelter Stirn verständnislos anblickte. Sie seufzte leise.
    „Es heißt, dass vor Tausenden von Jahren einige jener Engel, die in die Hölle hinabgefallen waren beschlossen, ihr Schicksal etwas … erträglicher zu gestalten.“ Elizabeth schnaubte wütend.

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