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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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engen Tunnel.
    „Eine Höhle?“, krächzte er verwirrt. „Und ich dachte, wir kämen auf dem anderen Ufer raus.“
    „Vielleicht gibt es kein anderes Ufer“, flüsterte Eleanor. „Vielleicht ist der sechste Kreis unterirdisch und wir dürfen nicht hoffen, so bald wieder an die Oberfläche zu kommen.“
    Ängstlich blickte William zur niedrigen Decke hinauf.
    „Na, zumindest sind wir dann das widerliche Auge los, dass uns da draußen ständig vom Himmel aus anglotzte.“
    Eleanor verzog das Gesicht zu einem Lächeln. In diesem Moment schob sich bereits der nächste durch das enge Tunnelloch. Es war Robert, der kurz darauf unbeholfen aufstand und sich umsah. Nach und nach folgten nun die anderen und die Höhle begann sich mit Menschen zu füllen. Schließlich, als der Strom an Menschen versiegt war, ließ William durchzählen.
    „Milady“, wandte er sich an Eleanor. „Ich habe dreimal durchzählen lassen. Aber einer fehlt. Ich kann aber nicht sagen, wer es sein könnte.“
    „Allys fehlt!“, schrie Robert in diesem Augenblick. „Meine Allys ist nicht da!“
    Verunsichert sahen sich alle um, suchende Blicke gingen umher, doch es stimmte – Allys war nicht unter ihnen. Robert bahnte sich in panischer Angst einen Weg zu der kleinen Tunnelöffnung.
    „Allys! Allys! Bist du da drin…?“, schrie er völlig aufgelöst. Dann machte er Anstalten zurück ins Loch zu kriechen.
    „Haltet ihn auf!“, rief Toby und sofort griffen die Umstehenden nach Robert und hielten ihn fest. Er schrie aus Leibeskräften, wand und wehrte sich. Keiner der Anwesenden konnte sich diesem schrecklichen Anblick entziehen und dabei gleichgültig bleiben. Viel zu langsam fiel die Schreckstarre von Eleanor ab, sie fasste sich und trat auf den am Boden zerstörten Robert zu.
    „Robert“, sagte sie schärfer als beabsichtigt. Sie zwang ihn, sie anzusehen und erst, als sie sich sicher sein konnte, dass sie zu ihm durchdrang, fuhr sie fort. „Wir lassen deine Allys nicht zurück. Wir lassen niemanden zurück, solange er zu uns gehören will!“
    Unter Tränen blickte Robert zu ihr auf. Dann nickte er. „Sie hat so viel Angst hier in der Hölle“, wimmerte er. „Bestimmt hat sie sich nicht durch das Loch gewagt…“
    Eleanor nickte. „Dann werden wir ihr dabei helfen.“
    Sie wandte sich an William. „Was denkst du, William. Können wir eine Kette bilden, um sie hierher zu bekommen?“
    William schürzte die Lippen. „Einen Versuch ist es wert, Milady. Dann muss nicht ein einzelner allein zurück gehen.“
    „Dann wagen wir es. Robert muss den Anfang bilden, denn er muss Allys überreden, wenn sie noch da draußen steht. Ich gehe als zweiter.“
    „Nein, Herrin!“, sagte ein junger Mann aus der Gruppe, der nun vortrat. „Mit Verlaub, aber es wäre besser, ihr bliebet hier. Wir haben viel Lärm in dieser Höhle veranstaltet und es mag sein, dass wir nicht unbemerkt geblieben sind.“ Er wies auf den Gang am Ende der Höhle, aus dem das unheimliche Licht schien. „Sollten wir gehört worden sein, seid ihr die Einzige, die uns davor bewahren kann, dass man uns in den Rücken fällt, während wir im Gang feststecken. An euch kommen die Akoloythoi nicht vorbei.“
    Widerwillig nickte Eleanor. „Gut, dann bleibe ich hier und behalte den Gang im Auge. Aber beeilt euch.“
    Eine fieberhafte und doch stille Geschäftigkeit entwickelte sich in der Höhle, als die Menschen sich vor dem kleinen Loch versammelten, welches zurück unter den schwarzen Fluss führte. Robert ging als erster und war kurz darauf verschwunden. Gleich hinter ihm kroch Toby in das Loch, während er sich an Roberts Rockschößen festhielt. So verschwanden nach und nach die Männer der Gruppe, denn man hatte sich stillschweigend darauf geeinigt, dass die Frauen zuletzt gehen sollten. Vielleicht würde die Menschenkette ja allein durch die Männer reichen und man könnte den Frauen den Gang zurück in das finstere Grauen ersparen. Doch schließlich war der letzte Mann im Tunnel verschwunden und nun folgten die Frauen ihnen, jede sorgsam darauf bedacht, die jeweilige Person vor sich nicht loszulassen. Am Ende stand nur noch eine Frau an Eleanors Seite, eine kleine, gebückte Person, welche das achtzigste Jahr zu Lebzeiten sicher überschritten haben musste. Eleanor wusste nicht wie sie hieß, doch wieder einmal wunderte sie sich darüber, was für Menschen in die Hölle kamen. Die Frau sah keineswegs wie eine Sünderin aus, eher wie ein freundliches Großmütterchen,

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