Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
Körperteile auf- und abtauchen sahen. An einer Stelle förderten riesige Blasen mit lauten Blubbern große Mengen an schwarz verschmierten Totenschädeln zu Tage, die für wenige kurze Augenblicke grinsend auf dem Wasser dahintrieben, um dann geräuschlos wieder unterzugehen.
    „Das Wasser wird dort vorn aufgewirbelt“, stellte Toby verwundert fest, indem er auf eine Stelle etwa fünfzig Meter weiter zeigte. Dort lag direkt am Ufer ein gewaltiger Felsblock, der weit ins Wasser des Flusses ragte und wie ein wuchtiger Wellenbrecher wirkte. Langsam näherte sich die kleine Gruppe dem ungewöhnlichen Objekt, während sie zugleich mit größter Aufmerksamkeit nach ungebetenen Gästen Ausschau hielt.
    „Ungewöhnlich“, flüsterte einer in der Menge. „Bislang haben in den Grenzflüssen keine derartigen Felsen gelegen.“
    „Er ist zu groß, um einfach davongespült zu werden“, meinte ein anderer.
    „Aber nichts kann den Höllenflüssen standhalten! Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.“
    Mittlerweile hatten sie den riesigen Felsen erreicht und gingen um ihn herum, während sie am Raunen und Tuscheln waren.
    „Da haben wir den Grund für seine Existenz!“, meinte plötzlich Robert. Er war auf die Seite des Felsens gewandert, gegen die die reißende Strömung schlug. Und dort, nur wenig neben der senkrecht aufragenden Wasserlinie, befand sich ein Loch im Stein. Die Gruppe versammelte sich davor und blickte neugierig auf die schmale Öffnung, hinter der die Finsternis lauerte.
    „Ihr wollt doch dort nicht wirklich rein…“, flüsterte Allys, während sie sich an Eleanor und Robert klammerte.
    „Mir will scheinen, unsere Möglichkeiten in den nächsten Höllenkreis zu kommen sind begrenzt, Liebste“, sprach ihr Mann sanft auf sie ein.
    „Wer sagt uns denn, dass es dort überhaupt auf die andere Seite geht?“, fragte eine Frau aus der Gruppe. „Vielleicht führt uns dieser Tunnel direkt ins Wasser und dann sind wir auf ewig darin gefangen.“
    Eleanor seufzte auf. „Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden“, sagte sie und ging auf die Öffnung zu. Sie erkletterte den knappen Meter bis zum Eingang des Schachtes, dann hielt sie inne. Das schwarze Wasser des Flusses war nun ganz nah an ihrem Gesicht und sie blickte es ängstlich an. Es wirbelte und blubberte, und dann, ganz langsam, schob sich das Profil eines Kopfes aus den öligen Wellen. Eleanor war wie erstarrt, während das fremde Gesicht sich ihr zuwandte und sie für einen Augenblick schreckerfüllt ansah. Dann versank es langsam wieder in den Fluten, aus denen es gekommen war.
    „Was ist dort?“, klang Tobys Stimme ungeduldig zu ihr hinüber. „Siehst du etwas?“
    Ein Ruck ging durch Eleanors Körper. „Nichts!“, antwortete sie mit belegter Stimme. Dann setzte sie sich in Bewegung und schob sich durch den engen Eingang in die Höhle hinein.
    Sofort wurde es pechschwarz um sie herum und eine ungewöhnliche Kälte bemächtigte sich ihrer. Unbeholfen tastete sie sich voran und stieß dabei allenthalben gegen spitze Felsvorsprünge, die von einer schleimigen Masse überzogen waren. Um sich herum vernahm sie das Rauschen des Flusses, der sich hinter den Wänden des Steintunnels durch sein Flussbett bewegte und dabei abertausende von gefangenen Seelen mit sich riss. Dies war mit Abstand der grausigste Ort, an den Eleanor bisher gelangt war. Selbst der Feuersee war nicht so schlimm gewesen, denn dort hatte sie zumindest etwas sehen können. Hier jedoch schien sie wie im Innern eines Tiers gefangen zu sein, eines unkontrollierbaren Tiers, welches sie verdauen und für immer in sich begraben würde.
    Immer lauter und eindringlicher wurde das Rauschen des Flusses, es füllte den engen Tunnel vollkommen aus und das beständige Blubbern und Gurgeln ließ Eleanor glauben, sie sei in einen gigantischen Magen gefallen. Von hier gab es kein Entrinnen, keine Flucht, ja nicht einmal den Trost eines schnellen Todes.
    Und dann war der finstere Tunnel ganz plötzlich zu Ende. Unversehens fand sie sich in einer niedrigen Höhle wieder, von deren Wänden das schleimige, schwarze Wasser tropfte, welches bis hierher durch den Fels gesickert war. Ein undefinierbares Licht schimmerte vom umliegenden Gestein, und warf bizarre Schatten auf die Wände. Einige Meter vor ihr verengte sich die Höhle bereits wieder und ging in einen schmalen Gang über, aus dem es unheilvoll leuchtete. Während Eleanor sich noch umsah, kroch William auf allen Vieren hinter ihr aus dem

Weitere Kostenlose Bücher