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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Badcock beherzigt und wäre mit Rob nach Kenegie zurückgekehrt …‹ Tut mir leid, mein Englisch ist dieser Aufgabe nicht gewachsen. Ich habe Probleme, es zu lesen. Aber wenn ich richtig verstehe, scheint es sich um den Bericht einer weiblichen Gefangenen in der Hand der Korsaren zu handeln, den sie selbst verfasst hat?«
    Ich nickte.
    »Ist er echt?«
    »Das hängt davon ab, was Sie unter echt verstehen. Ich glaube, dass er authentisch ist, aber ich brauche die Meinung eines Experten.«
    Seine Augen glänzten. »Das ist unglaublich! Wenn es echt ist, haben Sie hier ein Stück der wahren Geschichte Marokkos in der Hand, Julia Lovat. Es ist ein Wunder, ein magisches Fenster in die Vergangenheit. L’histoire perdue . So etwas habe ich noch nie gehört, jedenfalls nicht schon 1625 und erst recht nicht von einer Frau. C’est absolument incroyable .«
    Er küsste das Buch, und dann, als hätte er etwas übersehen, kam er quer durchs Zimmer und küsste mich vier Mal auf beide Wangen. Ich spürte noch den Druck seiner Finger auf meinen Oberarmen, als er zurückwich.
    »Tut mir leid, verzeihen Sie bitte.«
    Ich zwang mich zu einem Lachen. »Es gibt nichts zu verzeihen. Es ist wirklich erstaunlich, nicht wahr?«
    »Kann man wohl sagen. Aber eins verstehe ich nicht - was sind das für Bilder?« Er zeigte auf eins der Stickereimuster, ein hübsches Vogelpaar, dessen Köpfe sich umschlangen, umgeben von einer Laube aus Blättern und Rosen.
    »Das sind Vorlagen, Stickereivorlagen«, erklärte ich und nahm ihm das Buch aus der Hand. »Ganz einfache Muster für
junge Mädchen bei ihrer Handarbeit.« Ich ahmte den Vorgang des Stickens nach. »Um ihre Kleider zu schmücken oder Dinge im Haus - Bettwäsche, Tischdecken, alles Mögliche. Englische Frauen haben im Lauf der Jahrhunderte eine Menge Zeit damit verbracht. Manche tun es heute noch.« Ich steckte Cats Buch in meine Handtasche und nahm die einzige Stickerei heraus, an der ich gerade arbeitete - den Schal, der an drei von vier Ecken schon mit Pfauenfedern in herrlichen Grün- und Blautönen geschmückt war. Ich überlegte noch, ob ich das Motiv in der letzten Ecke verändern sollte, allerdings war mir bislang nichts eingefallen.
    »Haben Sie das gemacht?«
    »So erstaunt brauchen Sie nun auch nicht zu sein.«
    Er lächelte. »Es ist nur … nun ja, ich dachte, Frauen wie Sie hätten zu viel zu tun, wären zu modern, um sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. So etwas hätte meine Großmutter sticken können. Sie müssen es ihr zeigen, wenn sie von ihrem Besuch zurückkehrt. Sie liebt die Federn des paoni . Sie hat sogar welche in einer Vase in ihrem Zimmer stehen.«
    »Pfauenfedern?«
    »Pfauen, ja. Jeddah wird morgen oder übermorgen Abend zurück sein. Rachid holt sie mit dem Wagen ab.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob ich dann noch hier bin. Wenn wir morgen mit Ihrem Experten sprechen können und ich weiß, woran ich bin, werde ich wahrscheinlich abends den Zug nach Casablanca nehmen und übermorgen nach Hause zurückfliegen.«
    Ein unergründlicher Ausdruck flog über sein Gesicht. Dann sagte er: »Warten Sie.«
    Kurz darauf kehrte er mit einem Kleidungsstück über dem Arm zurück.
    »Ich dachte, morgen sollten Sie lieber das hier tragen, für den Fall, dass wir unterwegs Ihrem … Michael? begegnen.«
    Es war eine mitternachtsblaue Djellaba, ganz schlicht, aber
aus feiner Baumwolle, obwohl die Ärmelaufschläge und Säume mit der Maschine bestickt und nichts Besonderes waren. Dazu gehörte ein Stück weiße Baumwolle, das ich als Hijab benutzen konnte.
    Ich lachte. »Damit werde ich aussehen wie eine Nonne.«
    Er runzelte die Stirn. »Eine Nonne?«
    »Wie ein Mönch, ein frère , aber als Frau … eine soeur ?«
    Nun musste Idriss lachen. »Ich glaube, nicht mal, wenn Sie sich Mühe geben, würden Sie wie eine Nonne aussehen. Nicht mit solchen Augen.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, deshalb sagte ich gar nichts. Als er merkte, dass er mich in Verlegenheit gebracht hatte, senkte Idriss den Kopf. »Ich muss jetzt gehen und mit meinem Bruder sprechen, bevor er schläft. Ich möchte, dass meine Großmutter etwas aus den Bergen mitbringt. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Julia. Timinciwin. Ollah .« Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen, küsste die Handflächen und legte sie auf sein Herz. »Schlafen Sie gut.« Und damit verschwand er.
     
    Ich stieß die Fensterläden auf und setzte mich auf den kleinen Gebetsteppich, um zu

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