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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Armreifen. Neben ihm stand ein großes Pferd mit einem schmalen Kopf und schlanken Fesseln, ein reinrassiges Ross, das die schweren Jagdpferde auf Kenegie um Längen geschlagen hätte. Das karmesinrote Satteltuch war mit Gold durchwirkt, ebenso die bunten Quasten seines Zaumzeugs. Wenn dieser Mann und dieses Pferd zu ihrem neuen Besitzer gehörten, sagte sich Cat, musste dieser ein äußerst wohlhabender Mann sein und obendrein einer, der sich seines Reichtums nicht schämte.
    Während der Fährmann das Boot an Land zog, stampfte das Pferd unruhig auf und warf den Kopf zurück, doch der Mann mit dem Turban legte ihm die Hand auf das Maul, und es beruhigte sich. Dann trat er vor und drückte dem wartenden Fährmann eine Münze in die Hand.
    Ah, dachte Cat freudlos, da ist die Bezahlung für meine Seele.
    Der Mann drehte sich zu ihr um, hob sie auf, als wäre sie nicht schwerer als ein Kind, und setzte sie auf den Rücken des Pferdes. Ebenso schweigsam wie sein Gegenstück auf der anderen Seite des Flusses führte er sie durch die Straßen des neuen Salé, unter einem gewaltigen Torbogen hindurch und in die Kasbah Andalus.
    Sie setzten ihren Weg durch ein Labyrinth von schmalen Gassen fort, die sich einen steilen Hügel hinaufzogen. Die Hufe des Pferdes klapperten auf den Steinen und hallten von den Wänden der Häuser auf beiden Seiten wider, bis es so klang, als bewegte sich eine kleine Armee den Hügel hinauf. Am Ende kamen sie zu einer langen nichts sagenden Mauer, die nur von einem hohen Holztor unterbrochen war. Hier blieb der Mann stehen, drückte die Tür auf, ohne anzuklopfen oder seine Anwesenheit auf andere Weise kundzutun, und führte das Pferd hinein. Was draußen trocken und staubig gewesen war, wich hier dem blühenden Leben. Palmen, Obstbäume, irdene Töpfe mit bunten Blumen.
Ein pechschwarzer Junge kam angerannt, verbeugte sich vor dem Mann in Rot und hielt die Zügel, als er Cat beim Absitzen half. Aus einer Seitentür des großen Hauses traten zwei Frauen, die sich ebenfalls vor dem Mann verbeugten. Einige Worte fielen zwischen den dreien, die in Cats Ohren guttural und schroff klangen, dann griffen die Frauen nach ihr, nicht unfreundlich, und nahmen sie mit in den kühlen Schatten.
    Die nächsten paar Stunden vergingen wie in einem Traum. Sie wurde in einem dampfenden Raum mit Wasser und Seife gewaschen, in einem zweiten, der mit kalten weißen Kacheln ausgeschlagen war, abgespült und mit parfümierten Ölen gesalbt. Behutsame Hände wuschen ihr das Haar und behandelten es mit einem süß duftenden Öl. Jemand brachte ihr ein Gewand aus Seide, das sich so kühl und weich auf der Haut anfühlte, dass sie beinahe in Tränen ausgebrochen wäre. Darüber zogen sie ihr noch ein besticktes Gewand und wickelten das feuchte Haar in ein Tuch. Dann reichten sie ihr ein Paar Babouches aus weichem rotem Leder für die Füße und geleiteten sie zu einem Raum mit hohen Decken und einem Bett mit Baldachin. Hier breiteten sie die Arme aus, als wollten sie sagen: Das ist für dich , gingen hinaus und schlossen leise die Tür hinter sich.
    Und jetzt?, fragte sich Cat. Sie war gebadet und parfümiert worden und kam sich vor wie ein Stück Fleisch, das für den Tisch eines reichen Mannes bestimmt ist. War es das, was sie von nun an sein würde - die Gespielin eines reichen Mannes, ein Geschöpf in seinem Schlafzimmer? Sie erschauerte und wartete.
    Niemand kam. Nach einer Weile stand sie auf und öffnete den hohen, mit Schnitzereien verzierten Schrank, der an der Wand stand. Darin fand sie säuberlich gefaltet, Unterwäsche aus Baumwolle, drei weitere Gewänder aus feinem Tuch und ein zusätzliches Paar Lederschuhe. Stirnrunzelnd schloss sie ihn wieder. Befand sie sich im Zimmer einer anderen Frau? Sie schlenderte zum Fenster. Durch die ornamentalen Schnörkel
des schmiedeeisernen Gitters konnte sie in einen Innenhof hinabsehen, der mit hellem Marmor und Bäumen geschmückt war. Sein geometrisches Muster wirkte beruhigend. In der Mitte stand ein Springbrunnen mit einem achteckigen Bassin, aus dem vier Kanäle Wasser in die Ecken und um die Innenwände des Hofs leiteten. Töpfe mit einer verschwenderischen Fülle von blauen und weißen Blüten bildeten einen Kontrapunkt zu dem Brunnen, und in den vier Ecken standen in etwas erhöhten quadratischen Beeten vier Orangenbäume, deren Früchte zwischen dem glänzenden dunklen Laub leuchteten. Die Anordnung erinnerte sie an den Hof auf der anderen Seite des Flusses, wo man

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