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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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quer über den Tisch zu Marshall und Rob. »Esst, ich bitte euch. Ist deine Familie bei guter Gesundheit,
Master Marshall? Deine Frau, deine Söhne, deine Mutter?«
    Rob war erstaunt. So viel Zeit hatten sie miteinander verbracht, doch nicht ein einziges Mal hatte Marshall die Existenz einer Familie erwähnt. Soweit Rob wusste, hätte sein Begleiter auch Junggeselle sein können oder Witwer und obendrein Waise.
    Marshall beantwortete die Fragen des Marabouts ausführlich und erkundigte sich dann nach der Gesundheit des alten Mannes.
    »Ich bin nach wie vor rüstig, hamdullah , obgleich ich mir sicher bin, dass es viele Menschen in deinem Land gibt, die sich das Gegenteil wünschen. Ich glaube, dein Master Harrison war sehr enttäuscht von mir, als er hier war. Andererseits …«, und er breitete entschuldigend die Arme aus, »… andererseits hat er mir nicht das gebracht, worauf ich hoffte, obgleich ich ihm einen hohen Preis geboten hatte. Doch vielleicht war die Zeit noch nicht reif, und Allah hat es anders gewollt.«
    Eine Weile aßen sie schweigend, dann sagte Marshall plötzlich: »Eure Netze haben Euch dieses Jahr viele neue Gefangene eingebracht, wie ich hörte. Gefangene von nah und fern.«
    Die schwarzen Augen des Sidi hoben sich von dem Hähnchenschenkel, den er in der Hand hielt. »In der Tat, Allah war sehr weitblickend, als er uns tüchtige Kapitäne, tapfere Mannschaften und gutes Wetter für unsere Schiffe schenkte. Vierhundertdreiundzwanzig christliche Seelen für unsere Sache«, antwortete er ruhig.
    Marshall lächelte. »Eine gute Leistung für einen Sommer Arbeit, Sidi. Doch vielleicht wäre der Sache des Herrn mit nur vierhundertein- oder -zweiundzwanzig ebenso gedient?«
    »Wie soll ihm damit ebenso gedient sein? Vierhunderteinoder -zweiundzwanzig ist nicht dasselbe wie vierhundertdreiundzwanzig. Die Waagschalen sind nicht ausgeglichen. Eine
würde ihr Maß unterschreiten, und das wäre in Allahs Augen unverzeihlich.«
    »Wäre es möglich, den Unterschied mit Eisen und Bronze auszugleichen?«
    Sidi Mohammed zögerte. »Wie soll man eine Seele mit unedlem Metall aufwiegen können, Master Marshall? Das wäre doch so, als wollte man Federn und Steine vergleichen.«
    »Vielleicht. Aber eine Tonne Federn ist dasselbe wie eine Tonne Steine.«
    »Vom Gewicht her, ja, nicht aber vom Wert.«
    »Was, wenn die Bronze von bester europäischer Machart wäre, und es gäbe so viel Eisen dazu, dass es für ein ganzes Jahr reichte?«
    Die Lippen des Marabouts zuckten. Er griff nach dem Hähnchenschenkel und nagte den letzten Fetzen Fleisch ab. Seine Zähne waren so scharf und gelb wie die einer Ratte. »Es würde natürlich von der Qualität der Bronze und des Eisens abhängen und von dem, was man sonst noch in der Waagschale fände.«
    William Marshall fuhr mit der Hand in den Kragen seines Gewandes und zog eine Pergamentrolle hervor. Die reichte er dem Marabout, der sie entgegennahm, nachdem er sich sorgfältig die Finger an einem Tuch abgewischt und Allah sein Dankgebet gesprochen hatte. Dann überflog er mit reglosem Gesicht den Inhalt. »Ich weiß, dass unsere Kultur das Verhandeln in den Mittelpunkt ihrer Geschäfte stellt, doch ich selbst finde es eher ermüdend, zu feilschen. Was ich hier sehe, ist höchst akzeptabel. Spanisches Gold haben wir reichlich, englisches auch, wenngleich es mehr sein könnte … praktisch für deinen Herrn, aber natürlich brauchen wir einen Beweis für die Funktionstüchtigkeit deiner Ware, bevor wir den Handel besiegeln.«
    Marshall nickte zustimmend. »Ganz, wie Ihr wünscht, Sidi.«
    » Insha’allah . Euer Schiff ist … wo, genau?«
    »In Sehweite eines verabredeten Signals. Es wird einlaufen,
wenn ich es rufe, und Ihr könnt ein Boot mit vertrauenswürdigen Männern an Bord entsenden, um die Ladung zu überprüfen.«
    Der Marabout warf Hassan bin Ouakrim quer über den Tisch einen Blick zu, und dann unterhielten sich die beiden eine Zeit lang rasch in ihrer Sprache. Zuletzt sagte Sidi Mohammed: »Hassan erzählt mir gerade, dass der Junge, den du mitgebracht hast, beabsichtigt, seine Frau zurückzukaufen?«
    Rob straffte die Schultern und versuchte, sich keinerlei Hoffnung anmerken zu lassen.
    Marshall zuckte mit den Schultern. »Sie ist ein wertloses Weibsstück, und bislang sind sie nicht einmal verheiratet, aber der Junge ist entschlossen, er will sie unbedingt zur Frau nehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Eurer Sache besonders dienlich sein wird, Sidi.

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