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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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zur Kenntnis genommen hatte, fing er an, es langsam durchzublättern.
    »Du willst mich doch damit nicht etwa auf den Arm nehmen?«, fragte er, nachdem er leise durch die Zähne gepfiffen hatte.
    »Ich wusste, dass das etwas für dich ist«, entgegnete Hugo. »Aber schau es dir weiter an, es wird noch besser.«
    Luc betrachtete jede einzelne Seite nur kurz. Obwohl er den Text nicht lesen konnte, erkannte er auf den ersten Blick, dass der Schreiber eine fachkundige, geübte Hand besessen hatte. Das zweispaltige Manuskript war in einer sorgfältigen, etwas eckigen Schrift verfasst, deren rostbraune Tinte einen wunderschönen, kupferartigen Schimmer hatte. Am Rand der Spalten waren Nadelstiche zu erkennen. Sie dienten dazu, beim Schreiben die Zeilen exakt gerade zu halten.
    Aber es war weniger der Text, der ihn interessierte. Was ihn gefangen nahm, waren die mit leuchtenden, kräftigen Pinselstrichen gezeichneten Illustrationen am Rand zahlreicher Seiten, von denen viele das zeigten, womit Luc sich hauptsächlich beschäftigte.
    Bilder von Stieren. Hirschen. Wisenten.
    Alle wunderschön lebendig wiedergegeben in erdigen Schwarz-, Rot-, Braun-und Ockertönen.
    »Das sind ohne Zweifel polychrome Höhlenmalereien, die jemand da nachgezeichnet hat«, murmelte er. »Vermutlich aus dem Jungpaläolithikum, im Stil denen in Lascaux sehr ähnlich. Erstaunlich, dass sie mir noch nie untergekommen sind.«
    »Und wenn einer alle bekannten Höhlenmalereien gesehen hat, dann du«, sagte Hugo.
    »Damit könntest du recht haben. Schließlich ist das mein Job. Aber was ich noch viel erstaunlicher finde, ist das Veröffentlichungsdatum des Buches. 1307! Die erste verlässliche Erwähnung von Höhlenmalereien findet sich erst 1879 mit der Beschreibung der Höhle von Altamira in Spanien. Dieses Buch ist fünf Jahrhunderte früher geschrieben worden! Ich will nicht sagen, dass vor dem 19. Jahrhundert noch nie ein Mensch eine Höhlenmalerei gesehen hat, aber darüber berichtet oder sie reproduziert hat niemand. Bist du sicher, dass das Buch tatsächlich aus dem Jahr 1307 stammt?«
    »Nun ja, ich habe es noch keiner forensischen Untersuchung unterzogen, aber das Pergament, die Bindung, die Tinte und die Pigmente weisen alle auf das 14. Jahrhundert hin.«
    »Bist du wirklich sicher?«
    Hugo lachte. »Schließlich ist das mein Job«, äffte er seinen Freund nach, der sich wieder in das Buch vertiefte. Er schlug eine bestimmte Seite auf und zeigte sie Hugo.
    »Das habe ich mir gleich gedacht, dass dieses Bild dich interessieren wird«, sagte Hugo. »Es ist, gelinde gesagt, ziemlich pikant. Hast du jemals zuvor so eine Höhlenmalerei gesehen?«
    Das Bild zeigte eine primitive Zeichnung aus dicken, schwarzen Strichen, die eine stehende menschliche Figur darstellte. Der Kopf der Figur hatte eine Art Vogelschnabel, und aus der Mitte ihres Körpers stach ein langer Schrägstrich heraus wie ein gewaltiger erigierter Phallus.
    »Ja, habe ich! Den Vogelmann in der Höhle von Lascaux. Nicht identisch, aber ziemlich ähnlich, so eine Art mythische Figur. Komplett mit Penis. Unglaublich.«
    Er blätterte um und zeigte Hugo ein weiteres Bild in satten Farben – saftiges Grün, erdiges Braun, leuchtendes Rot.
    »Sieh dir nur diese Bilder an!«, sagte er begeistert. »Wie natürlich die Pflanzen wiedergegeben werden.« Wieder blätterte er weiter. »Da, das müssen Weinreben sein. Und das irgendwelche Gräser. Das ist ja das reinste Naturkundebuch!« Schließlich schlug er eine der letzten Seiten auf. »Und das hier ist eine Landkarte, ist das zu fassen?«
    Am Rand der Seite schlängelte sich eine gewundene, blaue Linie – offenbar ein Fluss – durch eine Landschaft aus Grün-, Braun-und Grautönen, in die einige kleine Symbole eingezeichnet waren: ein hellbrauner Turm, eine Ansammlung von grauen Häusern, ein Baum mit grotesk verdrehten Ästen, in dessen Nähe auf grauem Hintergrund zwei geschwungene blaue Linien gemalt waren. Direkt daneben prangte ein kleines, schwarzes X, das durch keinerlei Inschrift näher erläutert wurde.
    »Ich fand auch, dass das wie eine Karte aussieht«, sagte Hugo.
    Luc trank seinen Bourbon aus, winkte aber ab, als Hugo ihm nachschenken wollte. »So, und jetzt wäre ich dir verbunden, wenn du mir erzählen würdest, was es mit diesem Buch auf sich hat. Schließlich bist du der Lateiner von uns beiden. Ich weiß nur noch, was veni, vidi, vici bedeutet, aber das ist auch schon alles.«
    Hugo füllte lächelnd sein eigenes Glas

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