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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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Suche am südlichen Ortsrand von Ruac zu beginnen, am Westufer der Vézère. Ruac war ein altes Dorf, dem es – im Gegensatz zu seinen Nachbargemeinden – völlig an Touristenattraktionen mangelte, weshalb es hier das ganze Jahr über ziemlich ruhig zuging.
    In Ruac existierten weder Museen noch Galerien, und es gab nur ein altes Café. An der einzigen, mit Kopfsteinen gepflasterten Hauptstraße standen hellgelb gestrichene Häuser. Sie hatten zum Teil noch die früher für diese Gegend typischen Steindächer aus schweren, graumarmorierten Platten. Ruac war ein gepflegter Ort mit Gärten und Blumenkästen, in denen leuchtende Geranien blühten. Während Luc noch einen Parkplatz suchte, schwärmte er Hugo von der unberührten Authentizität des alten Dorfes vor. Seinen Freund interessierte das nicht sonderlich. Er blickte aus dem Fenster und zuckte zusammen, weil eine bucklige, alte Frau ihnen böse Blicke zuwarf, während der Landrover langsam an ihr vorbeifuhr. Am Ende der Häuserreihe überlegte Luc, in welche Richtung er nun fahren sollte. Hugo beobachtete angewidert, wie ein Ziegenbock ungeniert seine Notdurft verrichtete.
    »Mein Gott, ich hasse das Land!«, brach es aus ihm heraus. »Wieso habe ich mich bloß breitschlagen lassen, mit dir hierherzufahren?«
    Luc lächelte und bog ab in Richtung Fluss.
    Weil er keinen geeigneten Platz zum Parken fand, stellte er den schweren Geländewagen auf einer Wiese neben der Straße ab.
    Der Fluss befand sich hinter einem kleinen Wäldchen, sodass man ihn nicht sehen konnte. Luc legte ein offizielles Dokument der Universität Bordeaux hinter die Windschutzscheibe, aus dem hervorging, dass er in deren Auftrag hier war. Vielleicht würde das ja einen übereifrigen Landgendarmen daran hindern, ihnen einen Strafzettel zu verpassen. Nachdem sie ausgestiegen waren und Luc Hugo mit den Trageriemen seines Rucksacks geholfen hatte, machten sie sich zu Fuß auf den Weg zum Fluss.
    Es führte kein Pfad dorthin, aber das aus Büschen, Farnen und Gräsern bestehende Unterholz war nicht allzu dicht. Wenigstens war es unter dem Blätterdach der Rosskastanien, Eichen und Buchen etwas kühler als in der prallen Mittagssonne, wo die heiße Luft vor Insekten flirrte. Zu seiner Verärgerung sah Luc überall im Wald achtlos weggeworfene Bierdosen. Als er erklärte, dass er auf dem Rückweg den Müll einsammeln und ordnungsgemäß entsorgen wolle, konnte Hugo angesichts dieses pfandfinderhaften Elans nur die Augen verdrehen.
    Nach einem kurzen Marsch durchs Unterholz verriet das Geräusch von fließendem Wasser, dass sie sich dem Fluss näherten. Als sie das letzte Gestrüpp vor dem Ufer erreicht hatten, sahen sie, dass sie sich auf einem gute zwanzig Meter über dem Wasser gelegenen Felsvorsprung befanden. Von hier aus hatten sie einen herrlichen Blick auf das in der Sommersonne glitzernde Wasser und die fruchtbaren Felder und Viehweiden der Ebene am gegenüberliegenden Ufer.
    »Wohin jetzt?«, fragte Hugo, während er die Riemen seines Rucksacks neu justierte.
    Luc zog die Kopie der Landkarte aus seiner Tasche und sah sich um.
    »Also, ich gehe davon aus, dass die Häuser hier Ruac darstellen sollen, und der Turm sieht ganz ähnlich aus wie der des Klosters. Der Maßstab stimmt zwar nicht ganz, aber im Prinzip könnte es hinkommen, findest du nicht auch?«
    Hugo nickte und deutete auf die Kopie. »Dann müssten wir uns also etwa hier befinden.«
    »Das will ich hoffen. Andernfalls haben wir noch einen langen Tag vor uns«, erwiderte Luc. »Ich würde sagen, wir laufen hier am Hochufer entlang, bis wir etwas finden, das so ähnlich aussieht wie das hier …« Er tippte mit dem Finger auf die seltsamen wellenförmigen Linien. »Den komischen Baum können wir allerdings getrost vergessen«, fügte er lachend hinzu. »Den gibt es nach sechshundert Jahren ganz bestimmt nicht mehr.«
    Luc steckte die Karte ein und ging los. »Pass auf, wo du hintrittst«, sagte er zu Hugo. »Wenn du ausrutschst und in den Fluss fällst, wäre das ein echtes Drama.«
    »Für mich weniger«, erwiderte Hugo mürrisch, »eher für die zwei Frauen, denen ich jeden Monat Alimente zahle.«
    Der Felssaum, auf dem sie sich befanden, war ein gutes Stück niedriger als die steilen Wände flussabwärts, und je weiter sie ihrem Weg folgten, desto höher ragten die Felsen über ihren Köpfen auf. Der Pfad war zum Glück recht ungefährlich. Er war fest und breit genug, um sicher gehen zu können, und bot ihnen immer wieder

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