Die zehnte Kammer
Luc lächelnd. »Margot, Sie müssen eine starke Frau sein, wenn Sie es bei diesem Kerl länger aushalten.«
Margot nickte zustimmend. »Mein Freund ist Rugbyspieler«, sagte sie mit kokettem Augenaufschlag. »Das verschafft mir einen gewissen Schutz vor Zudringlichkeiten meines Chefs.«
»Und jetzt möchte ich dir meinen Geschäftsführer Isaak Mansion vorstellen«, sagte Hugo und deutete auf einen Mann in Anzug und Krawatte, der gerade aus einem der Büros gekommen war. »Isaak ist hier meine rechte Hand.«
Mansion, der kurze, lockige Haare und einen gepflegten Bart hatte, schüttelte Luc freundlich die Hand.
»Wahrscheinlich haben Sie keine Ahnung, wieso Sie jetzt hier sind«, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln.
»Psst!«, zischte Hugo scherzhaft. »Nichts verraten, sonst verderben Sie mir den ganzen Spaß. Gehen Sie lieber zurück an Ihren Schreibtisch und ziehen Sie einen fetten Auftrag für uns an Land.«
Hugo führte Luc in sein Büro und ließ ihn in einem Sessel Platz nehmen, bevor er mit großartiger Geste eine frische Flasche Bourbon öffnete und jedem von ihnen zwei Fingerbreit davon in geschliffene Kristallgläser goss. Dann reichte er eines davon Luc und stieß mit ihm an.
»Beeindruckendes Büro«, sagte Luc anerkennend. »Sieht genauso gut aus wie du.«
»Wie lange warst du jetzt schon nicht mehr hier? Fünf Jahre?«, fragte Hugo.
»Könnte hinkommen.«
»Furchtbar! Da habe ich dich ja noch öfter gesehen, als du im Ausland warst.«
»Tja, du weißt doch, wie es ist«, sinnierte Luc. »Man hat einfach nie genug Zeit.«
»Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hattest du eine Freundin, eine Amerikanerin.«
»Das ist schon lange vorbei.«
»Typisch«, sagte Hugo schulterzuckend und fügte dann hinzu: »Mann, tut das gut, dich zu sehen!«
Sie redeten eine Weile über gemeinsame Freunde aus ihrer Studienzeit und über Hugos kompliziertes Privatleben, bis Margot leise an die Tür klopfte und ihren Chef informierte, dass die Polizei wieder am Telefon sei.
»Soll ich gehen?«, fragte Luc.
»Nein, bleib nur. Es dauert nicht lang.«
Luc wartete, bis Hugo auflegte und mit leisem Seufzer sagte: »Es ist wirklich schlimm mit der Kriminalität heutzutage. Gestern Nacht ist jemand in meine Werkstatt eingebrochen und hat alles durchwühlt. Den Nachtwächter haben sie so zusammengeschlagen, dass er mit einem Schädelbruch im Krankenhaus liegt.«
»Wurde etwas gestohlen?«
»Nichts. Die Idioten haben wohl nicht damit gerechnet, dass wir momentan nur Bücher restaurieren, und Bücher sind wohl das Letzte, wofür solche ignoranten Verbrechertypen sich interessieren. Tja, Pech, kann ich da nur sagen, aber sie haben ein entsetzliches Chaos hinterlassen.«
Nachdem Luc seinen stressgeplagten Freund gebührend bemitleidet hatte, fragte er: »Also, was ist los? Weshalb musste ich alles stehen und liegen lassen und Hals über Kopf nach Paris fahren?«
»Ich möchte, dass du dir etwas ansiehst und mir einen Rat gibst.«
»Worum geht es denn?«
»Um das hier.« Hugo ging zu seiner Anrichte und holte ein kleines, in Musselin eingewickeltes Päckchen. Dann setzten sie sich aufs Sofa, wo Hugo etwas Platz auf dem Couchtisch machte und vorsichtig das Buch auspackte. Die rote Farbe des Leders wirkte leuchtender als bei Hugos erstem Besuch in der Abtei. Das Relief des Heiligen trat noch stärker hervor, und das Silber der Ecken, Buchnägel und doppelten Schließe schimmerte matt unter seiner altersbedingten Patina. Und natürlich war das Buch jetzt, wo es vollständig getrocknet war, auch sehr viel leichter. »Ich habe es vor ein paar Wochen bekommen. Das Buch hatte einen kapitalen Wasserschaden, aber meine Leute haben es restaurieren können.«
»Gut …«
»Es stammt aus der Dordogne, dem Périgord Noir. Das ist doch dein Revier.«
Luc hob mäßig interessiert die Augenbrauen.
»Hast du schon mal von einem kleinen Dorf namens Ruac gehört?«, fragte Hugo.
»An der Vézère? Ich war hin und wieder mal in der Gegend. Gibt es da was Besonderes?«
Hugo erzählte Luc alles über den Brand in der Abtei, wobei er die Geschichte ein wenig ausschmückte. Nachdem er die vorzügliche Leistung seiner Firma bei der Rettung des Buchs gebührend betont hatte, sagte er: »Ich möchte, dass du es dir ansiehst und mir sagst, was du davon hältst. Würdest du das für mich tun?«
»Klar. Lass es uns anschauen.«
Luc nahm das Buch und schlug es auf. Nachdem er das Datum aus dem 14. Jahrhundert auf dem Deckblatt
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