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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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zurück!«
    Der Feuerwehrhauptmann schnaubte verächtlich und reichte dem Abt das Buch. »Glauben Sie, dass es eine Bibel ist?«, fragte er.
    »Nein, das glaube ich nicht.«
    »Was denn dann?«
    »Keine Ahnung, aber momentan habe ich mich um wichtigere Dinge zu kümmern. Das Buch muss warten.«
    Der Abt brachte den Band in sein Arbeitszimmer, wo er ihn mit großer Sorgfalt auf ein weißes Tuch bettete, das er auf seinem Schreibtisch ausgebreitet hatte. Bevor er in die Kirche ging, um die Laudes zu beten, strich er noch einmal fast zärtlich mit den Fingern über das Bild des Heiligen auf dem Einband.
     
    Drei Tage später fuhr ein Mietwagen in den Klosterhof und steuerte den Besucherparkplatz an. Als der Fahrer den Motor abstellte, verkündete eine mechanisch klingende Frauenstimme aus dem im Armaturenbrett eingebauten Navigationsgerät, dass er sein Ziel erreicht habe. »Danke, ich weiß«, antwortete er dem Apparat.
    Hugo Pineau stieg aus. Die direkt über der Spitze des Kirchturms stehende Mittagssonne brannte so grell vom Himmel, dass er trotz seiner Designersonnenbrille blinzeln musste. Er nahm seine Aktentasche vom Rücksitz und zuckte bei jedem Schritt zusammen, weil die jungfräulichen Ledersohlen seiner teuren, neuen Schuhe vom groben Kies des Parkplatzes nicht wieder zu beseitigende Kratzer bekamen.
    Hugo hasste diese Hausbesuche auf dem Land, die er normalerweise Isaak Mansion, seinem Geschäftsführer, überließ. Leider war Isaak seit Anfang August im Urlaub, und wenn die Firma H. Pineau Restaurierungen von einem wichtigen Kunden wie dem Erzbischof von Bordeaux weiterempfohlen wurde, dann gab es kein Wenn und Aber: Als Inhaber musste sich Hugo persönlich um den Auftrag kümmern und ihn zur Zufriedenheit seines Auftraggebers erledigen.
    Die weitab von der vielbefahrenen Departementalstraße in einer grünen Enklave von Wäldern und Wiesen gelegene Abtei von Ruac war ein großes, architektonisch ziemlich beeindruckendes Bauwerk. Mit Ausnahme des Kirchturms, der aus dem 10., wenn nicht gar aus dem 9. Jahrhundert stammte, war die Abtei im 12. Jahrhundert von den Zisterziensern erbaut und später immer wieder erweitert worden. Auch wenn man sie im 20. Jahrhundert mit sanitären Einrichtungen und Elektrizität ausgestattet hatte, war ihre Bausubstanz seit gut dreihundert Jahren nicht mehr signifikant verändert worden. Mit ihren Mauern aus dem hellen, in den Steinbrüchen an der Vézère gewonnenen Kalkstein galt sie als ein schönes Beispiel für den spätromanischen Baustil dieser Region.
    Die Kirche mit dem typischen kreuzförmigen Grundriss war wohlproportioniert und über eine Reihe von Durchgängen und Höfen mit den anderen Gebäuden der Abtei verbunden – dem Dormitorium, dem Kapitelhaus, dem Haus des Abtes, dem Kreuzgang, dem antiken Caldarium, der Brauerei, dem Taubenhaus und der Schmiede. Und mit der Bibliothek.
    Dorthin wurde Hugo Pineau nun von einem Mönch geführt, aber er hätte den Weg auch alleine und sogar mit verbundenen Augen gefunden – der Geruch eines erst kürzlich gelöschten Brandes war ihm bestens vertraut. Hugo versuchte, höflich über das schöne Sommerwetter und die Tragödie des Brandes in der Bibliothek zu plaudern, aber der junge Mönch ging nicht darauf ein. Nachdem er den Restaurator bei Dom Menaud abgeliefert hatte, verbeugte er sich schweigend und verschwand. Der Abt erwartete seinen Besucher zwischen Stapeln durchnässter, nach Qualm stinkender Bücher.
    Hugo quittierte den Anblick der Zerstörung mit einem wissenden Nicken und reichte Dom Menaud seine Visitenkarte. Der Restaurator war ein kleiner, durchtrainierter Mann Mitte vierzig, der kein Gramm überflüssiges Fett am Körper hatte. Bis auf seine etwas zu breite Nase hatte er ein ebenmäßig geschnittenes, gutaussehendes Gesicht. Er war perfekt frisiert, roch nach teurem Eau de Cologne und trug ein elegantes, auf Figur geschneidertes Sakko aus braunem Stoff über einer hellbraunen Hose und einem weißen Hemd aus feinster ägyptischer Baumwolle. Verglichen mit ihm, wirkte der Abt in seiner Kutte und seinen Ledersandalen wie ein Mensch aus einer völlig anderen Zeit.
    »Danke, dass Sie den weiten Weg von Paris auf sich genommen haben«, sagte Dom Menaud, der nach kaltem Schweiß und den Würsten roch, die es zum Mittagessen gegeben hatte.
    »Nicht der Rede wert. Das ist mein Job. Außerdem freut es mich, wenn ich dem Erzbischof einen Gefallen tun kann.«
    »Der Erzbischof ist ein Freund unseres Ordens, und wir

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