Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
gewesen war, um einen aussuchen zu können, so hatte sich zumindest niemand die Mühe gemacht, ihn zu behalten. Der einzige Name, den das Mädchen kannte, war Kitten – Katzenjunges. Die Huren in Barkers Bordell in Sydney hatten das verwahrloste, zwischen ihnen umherirrende Kleinkind so genannt, weil es sie an ein hungrig maunzendes, streunendes Kätzchen erinnerte.
»Sie ist verstockt«, wandte sich Barker entschuldigend an den wartenden Reverend. »Und wohl auch etwas zurückgeblieben. Die Mutter ist gänzlich irre. Aber fügsam und nett anzusehen …« Er wies auf Suzanne – ein deutlicher Hinweis für den Freier, endlich seine Wahl zu treffen.
Der ließ Kitten denn auch endlich in Ruhe und entschied sich für Noni. Nicht so ansehnlich, aber auch nicht so weggetreten wie Suzanne und nicht so energisch und spöttisch wie Priscilla. Ergeben erhob sich die rundliche Rothaarige und zog den Mann in einen der aus Walknochen und Zeltplanen errichteten Verschläge hinter dem Pub, in denen Barkers Huren hausten. Knochen dienten auf der gesamten Walfangstation in der Piraki Bay als Holzersatz, auch die Walfänger errichteten daraus ihre niedrigen Unterstände, und die Tische und Stühle im Pub waren ebenfalls daraus gezimmert.
Der Schankraum war primitiv zusammengestückelt – vier Pfosten aus dem Holz rasch geschlagener, kaum entrindeter und nicht abgelagerter Südbuchen aus dem Wald oberhalb der Bay, mit Abfallholz, das beim Bau von Hemplemans Haus übrig geblieben war, verkleidet. Planen boten nur notdürftig Schutz. Der Wind pfiff hinein und wehte den Gestank der verwesenden Walkadaver auf dem Strand zu den zechenden Männern und mürrischen Huren herüber, immerhin war das Dach regendicht.
Kitten atmete auf, als der Reverend mit Noni verschwand, und ergriff die Flucht. Barker ließ sie zum Glück gehen, ohne den Zeitpunkt ihrer endgültigen »Anstellung« weiter zu diskutieren. Doch sie merkte natürlich, dass er verärgert war. Seine Wut entlud sich über Priscilla.
»Das war das letzte Mal!«, brüllte er die grobknochige, schon etwas in die Jahre gekommene Hure an, die das stoisch über sich ergehen ließ, »das letzte Mal, dass du mir in den Rücken gefallen bist, was Suzannes Kleine angeht! Das Kätzchen haben wir jetzt lang genug gefüttert. Wenn ich gewusst hätt’, was es mich kosten würde, hätt’ ich’s damals gleich ertränkt, als sie damit ankam. Aber gut, es ist niedlich, auf die Dauer wird es sein Geld einbringen. Und wenn ich’s recht bedenke, wird es wohl auch dreizehn Jahre her sein, dass Suzanne es geworfen hat. Nach dem, was ich höre, wird’s jetzt zumindest jeden Monat läufig. Da kann es so jung ja nicht mehr sein.«
Kitten, die vor dem Pub stehen geblieben war, um zu lauschen, biss sich auf die Lippen. Priscilla hatte ihr geraten, Mr. Barker nicht merken zu lassen, dass sie seit einiger Zeit jeden Monat blutete. Und sie hatte sich auch wirklich bemüht, die Stoffstreifen, die Noni ihr gab, um das Blut aufzufangen, heimlich zu waschen. Kitten war nicht zurückgeblieben, sondern eigentlich ganz aufgeweckt und seit Jahren gewohnt, Mr. Barker aus dem Weg zu gehen. Aber im letzten Monat hatte Suzanne sie verraten. Sie hatte die Stoffstreifen gefunden und angefangen, laut darüber zu lamentieren. Irgendwas über »Evas Fluch« und »böses Los der Frauen«. Kitten hatte nicht genau hingehört, Barker musste es allerdings mitbekommen haben. Und nun würde er seine Drohungen wahr machen und Kitten unter seine Freudenmädchen einreihen.
»Nach dem nächsten großen Fang ist sie fällig, Pris!«, führte Barker dies im Pub näher aus. »Wenn Hempleman was Ordentliches ins Netz geht und die Kerle Geld in den Taschen haben. Muss sie vorher natürlich einreiten …«
Kitten erstarrte. Was sagte er da? Er wollte sie … der fette Barker wollte der erste Mann sein, mit dem sie …
»Du?«, fragte Priscilla gedehnt, und in ihren Worten schwang ein neuer Tonfall mit – Eifersucht!
Kitten seufzte. Sie wusste, dass Priscilla etwas mit Barker hatte – auch wenn sie beim besten Willen nicht verstand, was ihre gelegentliche Beschützerin an dem poltrigen Hurenwirt fand. Wahrscheinlich hoffte sie darauf, dass er sie irgendwann nur noch für sich selbst haben wollte und nicht mehr an die Walfänger verkaufte. Priscilla hatte Kitten einmal verraten, dass sie den Gestank nach Tran und Blut hasste, der ihren Körpern anhaftete. Da nahm sie vielleicht lieber den höchstens mal nach Bier und ranzigem
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