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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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Kar gegenüber, denen sie bisher nur Verachtung und Zorn entgegengebracht hatte. Halbfinger genoß den Rang einer Mutter – wieso durfte Feuerauge sie auf diese Weise behandeln? - Auch die andere Frau mit dem Wangenfleck, die am ganzen Leib gezittert hatte, als Lächelndes Spitzgesicht sie zurück an ihren Platz brachte, um sich dort mit ihr niederzulassen, war Mutter von einem Kind. Erkannten die Spitzgesichter den bedeutenden Stand einer Mutter etwa nicht an? - Maramir musterte diejenigen, die mit ihr um ein Feuer saßen. Verstohlene Blicke trafen sich, sprachen miteinander, verrieten Unsicherheit und Scham, Sorge und Abneigung. - Keiner sagte auch nur ein einziges Wort ...
     
    „Feuerauge schläft!“, flüsterte Maramir, nachdem sie sich über Leinocka hinweg zu Kar geschlichen hatte.
    „Warum hat er Mutter Schwarzhaar Wangenfleck zu Lächelndes Spitzgesicht gebracht?“, fragte sie leise.
    „Mutter Schwarzhaar Wangenfleck! - Ein guter Name, Leikika, ich werde sie auch so nennen. - Ich denke, Feuerauge will, daß sie den Tanz der Geschlechter miteinander tanzen.“
    „Aber ich verstehe nicht ... Warum will Feuerauge ... Er kann es einfach bestimmen?“
    Kar machte eine Geste der Unverständnis. „Vielleicht ist sie eine geraubte Frau eines anderen Stammes und besitzt daher nur einen niederen Rang.“
    „Aber ich habe beobachtet, daß sie unter den Frauen einen höheren Rang hat. Die anderen Frauen achten sie“, erwiderte Maramir.
    „Dann sind die Frauen der Spitzgesichter schwach. Die Männer legen sich zu ihnen ...“
    „ ... und die Frauen dürfen nicht wählen“, schloß Maramir.
    „So wird es sein“, fuhr Kar fort. „Nur die Alten genießen Achtung!“
    Maramir wurde bange bei dem Gedanken daran, sich diesen Umständen anpassen zu müssen. - Schließlich reckte sie ihren Hals und sah zu Lächelndes Spitzgesicht und Mutter Schwarzhaar Wangenfleck hinüber.
    „Er hat noch nicht mit ihr getanzt! Ich glaube, er lehnt sie ab. - Sie wird sich dafür schämen!“
    „Vielleicht ist Lächelndes Spitzgesicht kein richtiger Mann.“ In Kars Stimme lag Verachtung. „Jeder wird an seiner Kraft zweifeln“, fuhr sie fort. „Dafür muß er sich schämen!“
    Maramir verstand, was Kar damit sagen wollte. Ihre ältere Schwester hatte recht. Ein Mann, der den Tanz der Geschlechter mit einer Frau nicht vollziehen konnte, galt als schwach und falsch. Sowohl im Leben wie im Tod lastete einem solchen Mann diese Schmach an. Denn Maramir wußte: auch die Ahnen duldeten diesen Makel nicht. So einem Mann konnte es passieren, daß man ihm offen mißtraute.
    Kar hatte kaum ausgesprochen, da hörten sie leises Keuchen und Stöhnen. Maramir und ihre Schwester machten lange Hälse.
    „Sie tanzen! So ist es gut. Das wird ihn heilen!“, merkte Kar an und lauschte neugierig. - Schließlich wandte sie sich wieder ihrer Schwester zu. „Feuerauge ist ein kluger Mann, er weiß, was für den Stamm gut ist!“
    Maramir nickte, obwohl sie nicht so ganz verstand, was Kar damit meinte. Aber eines glaubte sie jetzt begriffen zu haben: „Wenn Feuerauge über die Frauen befehlen kann, dann haben wir nichts zu befürchten. Sie werden uns achten müssen!“
    „Den Ahnen sei Dank!“, sprach Kar erleichtert. „Das ist mehr ... “, schloß sie jetzt eher beiläufig, „ ... als ich gehofft habe.“ Abgelenkt sah sie jetzt mit einem Anflug von Erschrockenheit über Maramir hinweg.
    Fast im selben Augenblick spürte Maramir eine Berührung am Hals. „Leikika!“
    Sie warf den Kopf herum und sah Feuerauges forschen Blick. Seine Hände suchten nach einer Öffnung des Bärenfells, das ihren Körper verbarg. Ihr gefiel, wie er ihren Namen aussprach. Der Akzent seiner fremden Sprache verlieh ihrem Namen etwas Außergewöhnliches, etwas Besonderes. Es störte sie nicht im Geringsten, daß er sie dabei Kleine Schwester nannte. Maramir konnte er sowieso kaum aussprechen, und so ließ sie sich von ihm mit einem Namen anreden, wie es nur Kar zustand. - Jetzt aber hörte sie ihren Namen nicht gerne aus seinem Mund. Sie fühlte sich in dem Augenblick von ihm gestört. Zuviele Gedanken schwirrten durch ihren Kopf. So erwiderte Maramir zwar seine Berührung, dennoch zeigte sie ihm unmißverständlich eine Geste der Distanz. Feuerauge hingegen packte sie, als hätte er ihre ablehnende Haltung gar nicht bemerkt, an der Schulter und zog sie zu sich; nicht grob, aber bestimmend, so daß sie ebenso entschieden tätig hätte werden müssen, um von ihm

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