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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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ab und prügelte stattdessen auf Kar ein, die sich eingemischt hatte. Maramir schnellte hoch und stieß die Frau von Kar weg, als die andere einen Augenblick später Maramir an den Haaren zu Boden riß und mit enormer Kraft fast ins Feuer zog. Maramir spürte das Brennen glimmender Kohlenasche in ihrem Gesicht. Verzweifelt versuchte sie sich gegen ihre Angreiferin zu wehren und gleichzeitig mit den Händen ihre Augen zu schützen. Es gelang ihr schließlich, sich wegzurollen. Feuerauge hatte eingegriffen; mit einer Hand hielt er Halbfinger, die Maramir beinahe das Gesicht verbrannt hatte, am Schopf und zog ihr den Kopf in den Nacken, während er sie anschrie und schüttelte. Dann stieß er die Frau von sich, riß der mit dem Wangenfleck den Stock aus der Hand und trieb die beiden mit ein paar Hieben an ihren Platz ... Maramir sah hinüber zu Lächelndes Spitzgesicht – tatenlos hatte er zugesehen.
     
     
    Auch in den nächsten Tagen verhielt sich Lächelndes Spitzgesicht ihr gegenüber auffällig ablehnend. Er und zwei der anderen jungen Männer bildeten eine Gruppe, die sich vom Rest des Stammes merklich abgrenzte. Sie gingen allein auf die Jagd, und wenn sie abends mit den anderen Männern am Feuer saßen, blieben sie dennoch unter sich. Er teilte seine Jagdbeute nicht mehr mit den Schwestern, mied Maramirs Nähe und strafte sie mit Blicken, die ihr offenbar zeigen sollten, wie sehr er sie verachtete. Maramir war jedoch nicht entgangen, daß er ihr dennoch immer wieder verstohlen hinterherstierte, sie aus dem Augenwinkel beobachtete. - Was war geschehen, das ihn so verändert hatte? Er bemühte sich, seinen glühenden Zorn zu verbergen; einen Zorn, der sich nicht nur gegen sie, sondern auch gegen Feuerauge richtete.
    Maramir war klug genug, um sich nicht zu sehr provozieren zu lassen und ging ihm und den beiden jungen Frauen, die heimlich nach ihr traten und mit Stöcken oder Knochenabfällen warfen, so gut sie konnte aus dem Weg. Außerdem wurde sie, sobald sie sich, um Holz oder Beeren zu sammeln, vom Lager entfernte, von Feuerauge begleitet, der sich offensichtlich darum bemühte sie zu beschützen.
    Kar hingegen stand unter dem besonderen Schutz der Knochenfrau. Die Alte richtete ihr Interesse nach wie vor auf Maramirs ältere Schwester und brachte ihr die ersten Worte in der Sprache der Spitzgesichter bei. Die Knochenfrau wirkte klug und mächtig, aber es fiel Maramir schwer, der unheimlichen Alten zu trauen. Ihr strenges Gesicht glich der rissigen Borke eines Baumes. Maramir hatte sie bisher nicht ein einziges Mal lächeln sehen, der starre Ausdruck ihres Gesichtes zeigte keinerlei Empfindung. Sie weckte in Maramir die Vorstellung an einen zu Fleisch gewordenen Totengeist, wodurch sich ihr seltsames Interesse an Kar so erklären ließ, daß Maramirs ältere Schwester jene Gabe besaß, der Anderswelt näher zu sein als anderen Menschen.
    Alles machte Maramir Sorgen, doch ihre größte Sorge galt Leinocka, die sich den Umständen zwar angepaßt hatte, aber noch immer kein einziges Wort sprach. Ebenso wenig machte sie Anstalten, selbständiger zu werden. Maramir nahm diesen Zustand allmählich als so selbstverständlich hin wie eine Mutter, die sich ebenso selbstverständlich um ihr Kind kümmern würde. Aber würde sie Leinocka vor den Spitzgesichtern beschützen können? - Feuerauge beachtete das ängstliche, zierliche Mädchen kaum. Obwohl er der einzige unter den Spitzgesichtern war, der einen Grund hatte, sich ihrer anzunehmen, tat er es nicht. Sie hatte ihm Zuneigung geschenkt und ihn gepflegt, als er verletzt war. Aber daran schien er nicht mehr zu denken. Es sah so aus, als wäre sie ihm gleichgültig.
    Umso überraschter war Maramir, als er ihnen ein Geschenk machte: drei aus Menschenhaaren geflochtene Bänder, die jeweils der durchbohrte Schwanzwirbel eines Wolfes zierte, durch den sie gefädelt waren. Und obwohl Maramir Feuerauges Sprache nicht verstand, erkannte sie sofort den Sinn dieses Geschenkes. Sie zweifelte nicht daran, daß es sich um die Schwanzwirbel der getöteten Wölfe handelte; Maramir hatte gesehen, wie Feuerauge ihnen nach dem Kampf die Schwänze abgeschnitten hatte. Die geflochtenen Bänder aus Menschenhaar stammten wohl von den Schöpfen der Männer, die wie ein Rudel Mähnenwölfe im Blutrausch über ihren Stamm hergefallen waren und alle niedergemetzelt hatten. Auf diese Weise zeigte Feuerauge Maramir, Kar und auch Leinocka seinen Dank. Die sanfte Art, mit der er Leinocka eine

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