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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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    Vor Kälte zitterten sie am ganzen Körper, Füße und Hände spürten sie kaum noch. Die Angst zu erfrieren wuchs, und die Hoffnung zu überleben schwand mit dem Licht des Tages. Bis Roter Wolf einen wohlvertrauten Geruch wahrnahm: Rauch! Auf der Wasseroberfläche erblickte er bald darauf einen tanzenden Lichtstreifen; fahles, flackerndes Licht zwischen den Felsen eines Abbruchs.
    „Das sind die Feuer der Ahnen!“, warnte Kar, die unvermutet plötzlich hinter ihm stand. „Du darfst nicht hingehen!“
    Zögernd ging Roter Wolf ein paar Schritte auf das Licht zu.
    „Es ist der Eingang ins Reich der Toten. Die Alten haben uns von diesem Ort erzählt“, warnte sie erneut.
    Ihm entging nicht, daß ihre Stimme vor Angst zitterte.
    „Wenn wir hineingehen“, fuhr Kar fort, „werden wir nie wieder als Menschen in die Welt der Lebenden zurückkehren. Vielleicht wird es dann in dieser Welt auch keine Wölfe mehr geben. Wir dürfen uns nicht an die Feuer der Ahnen setzen. Die Verbindung zwischen den Welten darf nicht sterben!“
    Zum ersten Mal in seinem Leben mißachtete Roter Wolf Kars Worte, wandte sich von ihr ab und ging, ohne sich umzusehen, weiter. Verzweifelt versuchte Kar ihn aufzuhalten, aber er schlug ihren Arm beiseite und stieß sie von sich.
    „Du wirst uns allen Verderben bringen – alles zerstören!“
    Wie von Sinnen tastete Kar den Grund des Wassers ab und zog einen Stein aus dem dunklen Naß. Maramir stürzte im letzten Augenblick dazwischen und stieß ihr den Brocken aus den Händen. Klatschend fiel der Stein zurück ins Wasser, mit dem Kar ihn beinahe niedergeschlagen hätte. Beiläufig nahm er wahr, wie der Stein, mit dem Kar ihn beinahe niedergeschlagen hatte, zurück ins Wasser fiel. Unbeirrt näherte er sich dem Schein des Feuers. Vorsichtig griff er nach den Zweigen und Ästen, die zwischen den neben- und übereinanderliegenden Felsbrocken und den künstlich dazwischen gestapelten Bruchsteinen aufgeschichtet waren. Er schob sie vorsichtig beiseite; nur soweit, daß er hineinschauen konnte. Im hellen Feuerschein sah er unter einem niederen Felsüberhang, durch Steilwand, Felsbruch und Wänden aus Zweigen, Ästen und morschen Stämmen rundherum geschützt, zwei Gestalten hocken. Sie hatten ihn längst bemerkt, sich hinter dem flackernden Feuer verschanzt und drohten mit ihren Lanzen. Aber etwas an ihrer Haltung erschien ihm merkwürdig: Sie wirkten unentschlossen, der Ausdruck in ihren Gesichtern veränderte sich. Versuchten sie, ihn einzuschüchtern, um ihre eigene Angst zu verbergen? Langsam entfernte er Zweige und Äste und kroch, jede hastige Bewegung vermeidend, hinein. Er blickte in das ängstliche Gesicht der jungen Frau und in die dunkelgeränderten Augen des Mannes. Sofort erwachte die Erinnerung an die erste Begegnung mit den fremden Riesen, an ihre von Krankheit gezeichneten Gesichter, den Kampf, das Sterben und die Wehmut, die er danach empfunden hatte. Abermals verspürte er dieses beklemmende Gefühl, und er hoffte, daß die Fremden genauso wenig seinen Tod wollten, wie er den ihren. Behutsam legte er die Lanze auf den Boden und wagte sich in der Hocke zwei Schritte weiter. Tanzt Viel und Leinocka drängten nun hinter ihm herein, und Roter Wolf mußte ein weiteres Stück vorrücken, um ihnen Platz zu machen. Die Fremden besaßen ein Feuer, das sein Stamm jetzt dringend benötigte. Er wollte es den Riesen nicht wegnehmen, sondern nur daran teilhaben. Also nahm er Leinocka zu sich und entblößte den kleinen Kopf von Tedannalei, so daß die Fremden hoffentlich erkennen konnten, daß er sie um Hilfe bat und sich dabei ungeschützt ihren drohenden Lanzen auslieferte. Plötzlich zwängte sich Kar forsch zwischen ihn und Leinocka. Fassungslos starrte sie die Fremden an. Ihre Augen waren feucht, und ihre Lippen begannen zu zittern. Sie wirkte in ihrer Erstarrung so verzweifelt, daß er die beiden Riesen darüber hinaus beinahe vergaß ...
     
    Wachgerüttelt, aus dem Dunkel eines traumlosen Schlafes gerissen, blickte Feuerhaar in das Gesicht des Alten, während der ihm ein Stück getrocknetes Fleisch entgegenhielt. - Eben noch hatte Feuerhaar versucht, sich von seinen Fesseln zu befreien, bevor er für einen Augenblick die Augen geschloßen hatte ... Nach einer auffordernden Geste erwartete der Alte, daß er den Mund öffnete und schob ihm das dünne Stück Fleisch zwischen die Lippen. Ohne zu zögern tat Feuerhaar, was er von ihm verlangte, nahm das Trockenfleisch und kaute.

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