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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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Jetzt, im Licht der Morgendämmerung, fiel Feuerhaar auf, daß unter der krustigen, dunklen Farbe, die den Bart und das zurückgestrichene Deckhaar des Alten bedeckte, weiße Haare sichtbar waren. Er war allem Anschein nach der einzige, der den Ausgang des Zweikampfes billigte, und da seine Worte geachtet wurden, hatte er es vielleicht ihm zu verdanken, daß er noch am Leben war. Während er kaute und den Alten unterdessen ansah, flehte er im Stillen die Ahnen an, daß der Alte ihm wohlgesonnen sein mochte. - Feuerhaars Blick fiel auf den leblosen Körper des rotgesichtigen Hünen, der noch immer an derselben Stelle lag, wo Feuerhaar ihn niedergestochen hatte. Für ihren toten Gefährten hatten sie weder gesungen noch getanzt. Hatte er ihnen, wegen des verlorenen Kampfes, so große Schande bereitet, daß sie ihn sogar nach seinem Tod mit Mißachtung straften? Feuerhaar blickte in die grimmigen Gesichter der fremden Jäger. Einen weiteren Kampf würde er ganz sicher verlieren.
     
    Als Roter Wolf erwachte, sah er im fahlen Tageslicht zwei Lanzenspitzen nahe vor seinem Gesicht. Ohne den geringsten Laut von sich zu geben, beobachtete er reglos, wie die beiden Fremden über ihn hinwegstiegen. Vorsichtig schlichen sie sich an den Schlafenden vorbei. Auch Werferin schlug plötzlich die Augen auf. Ein Zucken durchfuhr ihren Körper, so, als hätte sie für den knappen Moment eines Wimpernschlages lang nach ihrem Dolch greifen wollen - erstarrte dann aber jählings. Unruhig folgte ihr Blick der Lanzenspitze vor ihrem Gesicht. In völliger Bewegungslosigkeit harrte sie aus, bis der Mann und die Frau zwischen Geäst, Bruchgestein und Felsbrocken verschwunden waren.
    Roter Wolf dachte über die sonderbare Begegnung mit den Riesen nach. Es war eine friedliche Begegnung gewesen, wenn auch voller Mißtrauen und Anspannung. Neugierig hatte er die beiden während der letzten Nacht beobachtet und sich immer wieder gefragt, warum sie alleine waren. Der Mann wirkte geschwächt, schien trotz des Feuers zu frieren. Er hatte gezittert, und im Feuerschein konnte Roter Wolf den Glanz von Schweiß in seinem Gesicht erkennen. Die Frau mußte ihn stützen, als sie die Höhle verließen. War er verwundet? - Roter Wolf sah nach dem niedergebrannten Feuer. Und dann bemerkte er, daß Kar nicht mehr bei ihnen war. Sofort sprang er auf und stürzte hinaus. Kar aber konnte er nicht entdecken; auch von den Riesen war nichts zu sehen. Flußabwärts, auf beiden Seiten, suchte er das Ufer ab und stieß auf einen Fußabdruck im Sand zwischen den Steinen ... kurz darauf fand er Kar, kauernd in einer Felsnische, den Kopf auf ihre Hände gestützt. Das Kind lag in Fell gehüllt auf ihrem Schoß. Er hörte Rennjawe wimmern, was vom lauten Rauschen des Wassers fast übertönt wurde. Zuerst sah er nach dem Kind, dann streichelte er Kars Haar, und schließlich schloß er sie fest in seine Arme. Sie begann jämmerlich zu weinen, und sie zitterte am ganzen Körper. Als Kar ihren Kopf erhob, glaubte Roter Wolf, in die Augen eines Kindes zu blicken.
    „Die Ahnen sind nicht mehr da!“, schluchzte sie. Die großen Fremden haben sie verjagt!“
    Er drückte Kar fester. Eine innere Stimme sagte ihm, daß der Zauber der fremden Riesen groß war, so groß, daß sogar die Ahnen diesen Zauber fürchteten und in die Anderswelt geflohen waren, von wo aus sie möglicherweise nie mehr zurückkehren würden.
     
    Die Sonne stand hoch, als Feuerhaar von den fremden Jägern einen Berghang hinunter in ein Flußtal gezerrt wurde. Der Strick um seinen Hals scheuerte ihm die Haut wund; erbarmungslos riß sein Führer daran, wenn er nicht Schritt halten konnte oder stürzte. Der brennende Schmerz machte ihn fast wahnsinnig. Arme und Beine waren blutig von Schürfwunden und Kratzern, die er sich unterwegs zugezogen hatte. Taumelnd setzte er Schritt an Schritt, und von fern, wie aus einem Traum, hörte er seine Peiniger lachen. Schließlich blieben sie stehen, und Feuerhaar sank erschöpft auf die Knie. Zwischen seine wirren Gedanken drängte sich plötzlich fröhliches Kindergeschrei. Mit den gefesselten Händen rieb er sich den Schweiß aus den Augen. Er sah dünne Rauchschwaden aufsteigen, fellbespannte Zelte hoben sich vom Grün des lichten Waldes ab ... Ein riesiges Lager. Erneut riß sein Führer am Strick, und obwohl er seine Beine kaum noch spürte, zwang er sich in den Stand.
    Mit letzter Kraft erreichte er das fremde Lager. Kinder kamen herbeigerannt und starrten ihn

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