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Die Zeit der Hundert Königreiche - 4

Die Zeit der Hundert Königreiche - 4

Titel: Die Zeit der Hundert Königreiche - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Damisela. Aber ich habe nicht gewußt, daß es Frauen gibt, die die Fähigkeit zu solchen Entschlüssen und soviel Mut im Krieg haben.«
»Das ist kein Mut«, erwiderte Melora mit ihrer süßen Stimme. »Es ist nur so, daß ich die Ketten und Bordelle der Trockenstädte mehr fürchte als den Tod. Der Tod, so habe ich gelernt, ist ein Tor in ein anderes und besseres Leben, und das Leben hätte keine Freude mehr für mich, wenn ich in Daillon eine Hure in Ketten wäre. Und mein Dolch ist sehr scharf, so daß ich mein Leben schnell und ohne viel Schmerz beenden könnte - ich habe wohl ein bißchen Angst vor Schmerzen, aber nicht vor dem Tod.«
»Ich sollte Euch dazu einsetzen, meine Männer zu ermutigen, Mistress Melora.« Bard lenkte sein Pferd neben ihren Esel. »Ich habe noch nie eine Frau mit soviel Mut kennengelernt.« Er dachte darüber nach, ob Carlina imstande wäre, auf diese Weise zu sprechen, wenn sie in die Schlacht ritte. Er wußte es nicht. Er hatte nie daran gedacht, sie zu fragen.
Seit seinem fünfzehnten Jahr hatte Bard viele Frauen intim gekannt. Und doch wurde ihm jetzt plötzlich klar, daß er in Wirklichkeit sehr wenig darüber wußte, wie Frauen sind. Er hatte ihre Körper gekannt, ja, aber nichts über alles andere an ihnen erfahren. Er war nie auf die Idee gekommen. daß es für ihn an einer Frau irgend etwas Interessantes außer dem Geschlechtlichen geben könne.
Und doch, er erinnerte sich, daß er, als sie alle Kinder gewesen waren, mit Carlina ebenso frei gesprochen hatte wie mit seinen Pflegebrüdern. Er hatte eine Menge Zeit mit ihr zusammen verbracht, hatte ihre Lieblingsspeisen und die Lieblingsfarben ihrer Kleider und Bänder gekannt, ihre Angst vor Eulen und Nachtfliegern-, ihren Abscheu vor Nußbrei und Samenkuchen, vor rosa Kleidern und Schuhen mit überhohen Absätzen. Er hatte gewußt, wie sehr es sie langweilte, stundenlang bei einer Näharbeit zu sitzen. Er hatte sie wegen der Schwielen an ihren Fingern getröstet, als sie die Rryl und die große Harfe zu spielen lernte, und ihr bei ihren Aufgaben geholfen.
Als er jedoch ein Mann geworden war und begonnen hatte, an Frauen in Begriffen der Lust zu denken, hatte er sich Carlina entfremdet. Er wußte nicht, welch eine Art von Frau aus dem Kind geworden war. Was ihm jetzt noch schlimmer schien, es hatte ihn auch gar nicht interessiert. Er hatte in ihr kaum etwas anderes als seine versprochene Frau gesehen. In letzter Zeit hatte er sich oft vorgestellt, daß sie zusammen im Bett waren. Aber irgendwie war es ihm nie eingefallen, mit ihr zu reden, gerade so, wie er es jetzt mit dieser seltsamen, unschönen Leronis tat, die eine so süße Stimme hatte.
Es war beunruhigend; er hatte kein besonderes Interesse daran, mit dieser Frau zu schlafen. Tatsächlich stieß ihn der Gedanke ziemlich ab. Sie war so fett und unbeholfen und häßlich-, sie war eine der wenigen Frauen, die seine Mannheit kein bißchen erregten. Und trotzdem hatte er den Wunsch, sich weiter mit ihr zu unterhalten. Er fühlte sich ihr auf merkwürdige Weise enger verbunden als irgendwem in vielen Jahren, seine Pflegebrüder ausgenommen. Er blickte nach vorn, wo Mirella ritt, schweigend und distanziert und bezaubernd hübsch, und wie zuvor quoll das Begehren in ihm auf. Dann sah er wieder zu der schwergebauten, plumpen Melora hin, die auf ihrem Esel - wieder der unbarmherzige Vergleich - wie ein Sack Mehl hockte. Warum, fragte er sich, konnte die schöne Mirella nicht eine weiche Stimme haben und warm und freundlich wie die hier sein, warum ritt sie nicht an seiner Seite und sah ihm mit soviel teilnehmendem Interesse in die Augen? Meloras Haar hatte fast die gleiche Flammenfarbe wie das Mirellas, und hinter dem Mondgesicht mit den drallen Wangen ließ sich die gleiche zarte Knochenstruktur ihnen. Er fragte: »Ihr und Mistress Mirella seht Euch sehr ähnlich. Ist sie Eure Schwester oder Halbschwester?«
»Nein«, antwortete Melora, »aber verwandt sind wir; ihre Mutter ist meine älteste Schwester. Ich habe noch eine Schwester, die ebenfalls eine Leronis ist - wir alle sind mit Laran begabt. Seid Ihr nicht der Sohn von Dom Rafael di Asturien? Nun, meine jüngste Schwester Melisandra ist eine der Frauen Eurer Pflegemutter; sie trat vor drei Jahreszeiten in den Dienst Domna Jeranas. Habt Ihr sie dort nie gesehen?«
»Ich bin seit vielen Jahren nicht mehr zu Hause gewesen«, erklärte Bard kurz.
»Ach, das ist traurig«, meinte sie voller Mitgefühl, aber Bard wünschte das

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