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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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»Du hast Federn im Haar, Carlina.«
    Geistesabwesend zupfte sie daran und lachte. »Natürlich, einige der Frauen stopfen Federbetten für den Winter und machen Kissen. ich herrsche über die Federn, während die Frauen meiner Mutter das Fleisch der Vögel für den Winter einsalzen und pökeln.« Sie blickte auf das bißchen Flaum nieder, das an ihren Fingern klebte. »Weißt du noch, Pflegebruder, wie du und ich und Beltran uns in einem Jahr an die Fässer mit Federn machten und die Federn in sämtlichen Nähzimmern herumflogen? Ich fühlte mich so schuldig, weil du und Beltran geschlagen wurdet, und ich wurde nur ohne Abendessen auf mein Zimmer geschickt!«
    Bard lachte. »Dann sind wir besser weggekommen, denn ich möchte lieber geschlagen werden als einen Tag hungern, und ich bezweifle nicht, daß Beltran der gleichen Meinung ist! Und in all diesen Jahren habe ich gedacht, daß du am schlechtesten dabei weggekommen bist!«
    »Aber ich hatte mir den Streich ausgedacht. Du und Beltran und auch Geremy, ihr wurdet immer für Ungezogenheiten geschlagen, die ich ausgeheckt hatte«, sagte sie. »Wir hatten viel Spaß in jener Zeit, nicht wahr, Pflegebruder?«
    »Ja, das hatten wir.« Bard ergriff ihre Hände. »Aber ich möchte dich jetzt nicht mehr Pflegeschwester nennen, Carlina mea . Und ich bin gekommen, dir große Neuigkeiten mitzuteilen.«
    Sie lächelte zu ihm hoch. »Was für Neuigkeiten, mein versprochener Gatte?« Sie sprach das Wort schüchtern aus.
    »Der König, dein Vater, hat mir den Befehl über Truppen gegeben«, platzte er freudestrahlend heraus. »Ich soll mit drei Dutzend ausgewählten Männern eine Karawane mit Haftfeuer ergreifen … Dem Namen nach ist Beltran der Befehlshaber, aber du weißt, und ich weiß es auch, daß das Amt in Wirklichkeit meins ist … und ich soll die Männer selbst aussuchen und Leroni mitbekommen …«
    »O Bard, wie wundervoll!« Gegen ihren Willen freute sie sich über sein Glück. »Ich bin so froh für dich! Sicher bedeutet das – wie du, ich weiß es, hoffst –, daß du vom Bannerträger zu einem seiner Hauptleute aufsteigen und vielleicht eines Tages alle seine Truppen führen wirst!«
    Bard versuchte, nicht allzuviel Stolz zu zeigen. »Der Tag liegt bestimmt noch viele Jahre in der Zukunft. Aber es zeigt, daß dein Vater fortfährt, gut von mir zu denken. Ich habe mir gedacht, Carlina mea, wenn ich bei dieser Mission Erfolg habe, dann wird er vielleicht unsere Hochzeit ein halbes Jahr vorverlegen, und wir können zu Mittsommer heiraten …«
    Carlina versuchte, ein unwillkürliches Zusammenzucken zu unterdrücken. Sie und Bard mußten heiraten. Es war ihres Vaters Wille, der Gesetz im Land Asturias war. Sie wünschte Bard aufrichtig alles Gute; es gab keinen Grund, warum sie keine Freunde sein sollten. Und schließlich machte es nicht viel aus, ob zu Mittwinter oder Mittsommer. Doch auch wenn sie sich das sagte, sie konnte nicht zustimmen.
    Bards Begeisterung war jedoch so groß, daß sie es nicht fertigbrachte, sie zu ersticken. Sie wich aus: »Das wird geschehen, wie mein Vater und Herr es will, Bard.«
    Bard sah in ihren Worten nur angemessene jungfräuliche Schüchternheit. Er drückte ihre Hände fester. »Wirst du mich zum Lebewohl küssen, meine versprochene Frau?«
    Wie konnte sie ihm das abschlagen? Sie ließ es zu, daß er sie an sich zog, und seine Lippen, hart und fordernd, raubten ihr den Atem. Er hatte sie noch nie geküßt, abgesehen von dem brüderlichen und ehrerbietigen Kuß, den sie vor Zeugen bei ihrer Verlobung gewechselt hatten. Das hier war anders, und es ängstigte sie, als er versuchte, ihre Lippen mit seinem Mund zu öffnen. Sie wehrte sich nicht. Verängstigt und passiv ließ sie es sich gefallen, und für Bard war das erregender, als es die heftigste Leidenschaft hätte sein können.
    Als sie sich trennten, sagte er mit leiser Stimme, fast in Angst vor seinen eigenen Gefühlen: »Ich liebe dich, Carlina.«
    Das Beben seiner Stimme erfüllte sie von neuem gegen ihren Willen mit Zärtlichkeit. Sie berührte seine Wange mit den Fingerspitzen und antwortete sanft: »Ich weiß, mein versprochener Gatte.«
    Als er gegangen war, starrte sie, bis ins Innerste aufgewühlt, auf die geschlossene Tür. Ihr ganzes Herz sehnte sich nach der Stille und dem Frieden der Insel des Schweigens. Doch es sah so aus, als solle das niemals sein, als müsse sie mit oder ohne ihre Zustimmung die Frau ihres Cousins, ihres Pflegebruders, ihres versprochenen

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