Die Zeit der hundert Königreiche
Meuterei. Ein Winterfeldzug – solange das Wetter gut war, machte es ihnen nichts aus. Aber jetzt –«
Meister Gareth nickte. »Das ist mir klar. Nun, ich will festzustellen versuchen, wie weit sich dieser Sturm erstreckt und ob wir bald aus ihm hinauskommen. Doch gehört die Wetter-Magie nicht zu meinen besonderen Fähigkeiten. Darin ist nur einer der Laranzu’in seiner Majestät gut, und das ist Meister Robyl, der mit dem König nach Hammerfell geritten ist. Er meinte, im Norden am Rand der Hellers, wo die Schneefälle heftiger sind, werde er nötiger gebraucht. Aber ich werde mein Bestes tun.«
Und als Bard sich abwandte, setzte er hinzu: »Seid guten Mutes, Sir. Der Schnee erschwert uns das Vorankommen, aber uns längst nicht so sehr wie der Karawane mit dem Haftfeuer . Dort müssen sie all diese Karren und Wagen durch den Schnee schieben, und wenn er zu tief wird, können sie überhaupt nicht mehr weiter.«
Bard sagte sich, daß er daran hätte selbst denken sollen. Schnee machte die Karren und Wagen der Karawane unbeweglich, während leichte Reiterei immer noch durchkommen und kämpfen konnte. Außerdem, wenn es stimmte, daß zum Schutz der Karawane Trockenstädter-Söldner angeheuert waren, die aus einem wärmeren Klima stammten, mochten sie durch den Schnee in Verwirrung geraten. Bard ritt zu den Männern, hörte sich ihr Murren und ihre Proteste an und hielt ihnen das vor Augen. Obwohl der Schnee nicht aufhörte zu fallen und sogar noch dichter wurde, schien der Gedanke sie ein bißchen aufzumuntern.
Die Wolken und der fallende Schnee wurden jedoch immer dicker, und nach einem Wort mit Beltran ließ Bard früh haltmachen. Nichts war dabei zu gewinnen, wenn er murrende Männer zwang, sich durch den gleichen Schnee vorwärtszumühen, der ihre Beute an Ort und Stelle festhielt. Nach dem anstrengenden Tag waren die Männer müde und entmutigt, und einige würden nur ein paar kalte Bissen zu sich genommen und sich sofort in ihre Decken eingerollt haben. Aber Bard bestand darauf, daß Feuer angezündet und warmes Essen gekocht wurde. Er wußte, das tat mehr für die Moral der Männer als alles andere. Das Lager wirkte auch richtig fröhlich, als einmal die Flammen von flachen Steinen hochloderten und mit den abgefallenen Zweigen eines verlassenen Obstgartens – vor ein paar Jahrzehnten von der Nußfäule verwüstet – genährt wurden. Einer der Männer brachte eine kleine Sackpfeife zum Vorschein und begann zu spielen, trauervolle Weisen, die älter waren als die Welt. Die jungen Frauen schliefen in ihrem gemeinsamen Zelt, aber Meister Gareth gesellte sich zu den Männern um das Feuer, und nach einer Weile – zwar protestierte er und sagte, er sei weder Musikant noch Barde – ließ er sich überreden, ihnen die Geschichte von dem letzten Drachen zu erzählen. Bard saß neben Beltran im Schatten des Feuers, kaute auf Trockenobst und hörte mit zu, wie der letzte Drache von einem der Hastur-Sippe erschlagen worden war und wie alle Vierbeiner und Vögel in den Hundert Königreichen, als sie mit dem Laran der Tiere spürten, daß der letzte seines Volkes tot war, ein Klagegeschrei angestimmt hatten, in das sogar die Banshees einfielen aus Trauer um den letzten des weisen Schlangengeschlechts … und der Sohn Hasturs selbst, der neben der Leiche des letzten Drachen auf Darkover stand, hatte gelobt, nie wieder zum Sport auf irgendein lebendes Wesen Jagd zu machen. Als Meister Gareth die Geschichte zu Ende erzählt hatte, applaudierten die Männer und baten um mehr, aber er schüttelte den Kopf und sagte, er sei ein alter Mann und den ganzen Tag geritten und werde sich jetzt in seine Decken hüllen.
Bald darauf lag das Lager dunkel und still da. Nur das mit grünen Zweigen bedeckte kleine rote Auge des Feuers, das man zur Zubereitung des warmen Breis am Morgen brauchte, knisterte und beobachtete unter seiner Decke hervor. Ringsumher zeigten dunkle Dreiecke, wo die Männer in ihren Decken unter wasserfesten Planen lagen, die sie als niedrige Dächer vor dem immer noch fallenden Schnee schützten. Es waren mit gegabelten Stöcken gestützte offene Halbzelte, von denen jedes zwei, drei oder vier Männer beherbergte, die sich aneinanderdrängten und Decken und Körperwärme teilten. Beltran lag an Bards Seite und sah merkwürdig klein und jungenhaft aus. Bard war noch wach. Er blickte in das Feuer und die weiß-silbernen Streifen, die der Schnee wie blasse Pfeile gegen das Licht aufblitzen ließ. Irgendwo, nicht
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