Die Zeit der Katzenpfoten
ein menschliches Wiesel sein, um ein menschliches Kaninchen in diesem Bau zu verfolgen, dachte er; und in der Dunkelheit entwickelt vielleicht sogar ein Kaninchen Krallen. Es war schon schlimm genug, als ich nur den verrückten Marsianer zu fürchten hatte. Jetzt …
Er seufzte und drehte sich auf dem rauhen Zementfußboden herum.
Er dachte sehnsüchtig daran, was aus all dem Mobiliar und den Apparaten geworden sein mochte, die er so unbekümmert für das Apartment gekauft hatte, das ihm nun nicht mehr gehörte. Müßte er dafür nicht irgendeine Entschädigung bekommen? Doch selbst wenn es eine gab, wußte er immer noch nicht, wie er sie beanspruchen sollte. Er besaß ja auch keinen funktionierenden Joker, der ihm mit seinen Ratschlägen helfen konnte. Er überlegte sich, ob Hara ihm in diesem kritischen Augenblick aushelfen würde, und beschloß, den Arzt aufzusuchen. Schließlich war es in gewissem Sinn ja auch Haras Schuld, daß er sich in dieser Lage befand …
»Nein!« sagte Forrester laut und deutlich in die Dunkelheit hinein. Es war überhaupt nicht Haras Schuld. Es war seine eigene.
Das eine hatte er in den zwei Stunden als Verlorener gelernt: niemand war für ihn verantwortlich außer ihm selbst. Dies war keine Welt, in der der Staat schützend über seinen Bürgern wachte. Es war eine Welt des Individuums. Er war der Kapitän seines Schicksals, der Herr seiner Seele –
Und der Gefangene seiner Schwächen.
Als er nach einer Weile Whitlow vorsichtig seinen Namen rufen hörte, hatte sich Forrester damit abgefunden, daß er ganz allein in einer kalten Welt lebte, die sich nicht um ihn kümmerte.
Vorsichtig schlichen sie auf Zehenspitzen aus den Stollen heraus, über eine Luftkissenstraße und unter ein riesiges Gebäude, das von tausend elliptischen Säulen getragen wurde, die aus Grasbeeten emporragten. Das Licht, das das Gras am Leben erhielt, kam von verborgenen Beleuchtungskörpern in dem 40 000 Quadratmeter großen Dach über ihren Köpfen.
Whitlow, der sein zuversichtliches Aussehen wiedergewonnen hatte, führte ihn zu einer bestimmten Säule, in die eine Tür eingelassen war, auf der in leuchtendroten Buchstaben N OTAUSGANG stand. Er stieß sie auf, schob Forrester hinein und schloß sie hinter ihnen.
»He!« sagte er fröhlich. »Das war knapp, aber jetzt is alles in Ordnung. Kriegste nich langsam Hunger?«
Forrester hatte eigentlich etwas fragen wollen, aber dies lenkte seine Aufmerksamkeit völlig ab. »Ja!«
Whitlow grinste. »Dachte ich mir«, sagte er. »Mal sehn, ich hab wahrscheinlich grad das richtige für dich. Ich hab ‘nen regelmäßigen Kunden in diesem Gebäude. Kumpel von früher, mit dem ich zusammen im Labor gearbeitet hab. Er arbeitet jetzt an Diätplänen und bringt’s immer fertig, mir was von dem Versuchsmaterial zuzustecken. Laß mal sehn –«
Er stöberte in einem Schrank herum und brachte zwei Thermosschüsseln zum Vorschein. Sie öffneten sich bei einer leichten Berührung und ließen dampfendes, wohlriechendes Essen für zwei Personen sichtbar werden. »Junge, diesmal hat er sich selbst übertroffen. Sieht aus wie geräucherte Austern auf Mailänder Art. Hau rein, Chuck! Ich wette, du kriegst auch im Paradies nix Besseres.«
Während er das Essen hinunterschlang, blickte sich Forrester um. Er wollte wissen, in was für einem Raum er sich befand. Es schien eine Verbindung zwischen dem Gebäude über ihnen und dem unterirdischen Park zu sein. Er war für den Fall eines Luftangriffes gebaut worden, wurde aber jetzt nicht mehr benutzt, weil seit dem Beginn der sirianischen Bedrohung völlig neue Anlagen hundertsiebzig Meter unter der Erdoberfläche entstanden waren. Aber dieser kleine vergessene Rest eines komplett ausgerüsteten Bunkers war erhalten geblieben, und da niemand ihn gebrauchen konnte, hatte Whitlow ihn in Besitz genommen. Er war an eine Klimaanlage angeschlossen, besaß elektrische Beleuchtung und sanitäre Anlagen. Wie Forrester schon gesehen hatte, ließen sich auch Nahrungsmittel einlagern. Whitlow brauchte nur noch diese Nahrung zu besorgen. Forrester lehnte sich entspannt zurück und versuchte die Energie aufzubringen, eine Schokoladenkrem zu essen, während er mit halbem Ohr Whitlows Reden zuhörte. »… Als ich dann von MIT kam, waren natürlich nich mehr viele Jobs für Bergbauingenieure zu kriegen. So bin ich dann zurückgegangen und hab mein Diplom in Festkörperelektronik gemacht. Dann warben die Bell-Laboratorien Leute an, und einer von
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