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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Rest auf den festgelegten Routen nach Süden treiben.«
    »Zu Befehl.«
    Jetzt die Sonderaufgaben, dachte Evertsen und musterte seine Untergebenen. Wem sollte er sie zuteilen? Alles junge Kerle, Milchbärte, haben noch wenig gesehen, nichts erlebt  ... Ach, mir fehlen die alten, erfahrenen Intendanten  ... Kriege, Kriege, immerzu Kriege. Die Militärs sterben zahlreich und oft, die Intendanten aber, wenn man das Zahlenverhältnis berücksichtigt, nicht viel seltener. Doch unter den Kriegsleuten bemerkt man den Verlust nicht, weil ständig neue kommen, denn jeder will Krieger sein. Aber wer will schon Intendant oder Registrator sein? Wer will, wenn er nach Hause kommt und die Söhne ihn fragen, was er im Krieg vollbracht hat, antworten, dass er mit dem Scheffel Korn gemessen, stinkende Häute gezählt und Wachs abgewogen hat, wie er über zerfahrene, mit Ochsenscheiße bedeckte Straßen einen Treck von mit Beute beladenen Wagen geführt, inmitten von Staub, Gestank und Fliegen brüllende und blökende Herden getrieben hat  ...
    Die Sonderaufgaben. Die Eisenhütte in Guleta mit den großen Öfen. Die Frischöfen, die Galmeihütte und die große Eisenschmiede in Eysenlaan, fünfhundert Zentner Jahresproduktion. Die Zinngießereien und die Wollmanufakturen in Aldersberg. Die Malzmühlen, Brennereien, Webereien und Färbereien in Vengerberg  ...
    Demontieren und abtransportieren. So hatte es Kaiser Emhyr befohlen, Die Weiße Flamme, Die Auf Den Grabhügeln Der Feinde Tanzt. Mit zwei Worten. Demontieren und abtransportieren, Evertsen.
    Befehl ist Befehl. Er muss ausgeführt werden.
    Bleibt noch das Wichtigste. Die Erzgruben und ihre Ausbeute. Die Münze. Kostbarkeiten. Kunstwerke. Aber damit befasse ich mich. Selbst.
    Neben den am Horizont sichtbaren schwarzen Rauchsäulen erhoben sich weitere. Und weitere. Die Armee führte die Befehle Coehoorns aus. Das Königreich Aedirn wurde zu einer Brandstätte.
    Rumpelnd und Staubwolken aufwirbelnd zog eine Kolonne Belagerungsmaschinen die Straße entlang. Zu dem sich noch immer verteidigenden Aldersberg. Und nach Vengerberg, der Hauptstadt König Demawends.
    Peter Evertsen schaute und zählte. Kalkulierte. Zählte nach. Peter Evertsen war der Großkämmerer des Kaiserreichs, zu Kriegszeiten der Generalintendant der Armee. Er hatte dieses Amt seit fünfundzwanzig Jahren inne. Zählen und rechnen, das war sein Leben.
    Ein Mangonel kostet fünfhundert Florin, eine Blide zweihundert, eine Petrarie mindestens hundertfünfzig, die einfachste Balliste achtzig. Ausgebildetes Bedienpersonal bekommt neuneinhalb Florin Monatssold. Die Kolonne, die gegen Vengerberg zieht, ist, wenn man Pferde, Ochsen und kleine Ausrüstung einrechnet, mindestens dreihundert Mark Silber wert. Aus einer Mark, das heißt einem halben Pfund reinen Erzes, werden sechzig Florin geprägt. Die jährliche Ausbeute eines großen Bergwerks liegt bei fünf-, sechstausend Mark  ...
    Die Belagerungskolonne wurde von leichter Reiterei überholt. An den Zeichen auf den Fahnen erkannte Evertsen das Banner des Fürsten Winneburg, eins von denen, die aus Cintra herangezogen worden waren. Ja, dachte er, die haben Grund zur Freude. Die Schlacht ist gewonnen, die Armee Aedirns in Auflösung begriffen. Die Reserveeinheiten werden nicht in schwere Kämpfe mit regulären Truppen geworfen. Sie werden die Zurückweichenden verfolgen, zerstreute, ihrer Anführer ledige Gruppen niedermachen, sie werden morden, rauben und brennen. Sie freuen sich, weil ihnen ein angenehmes, lustiges Kriegchen winkt. Ein Kriegchen, das keine Mühe macht. Und sie nicht tötet.
    Evertsen kalkulierte.
    Ein Banner umfasst zehn Fähnlein und besteht aus zweitausend Berittenen. Obwohl die Winneburger sicherlich in keine große Schlacht mehr ziehen, wird in Gefechten mindestens ein Sechstel des Bestandes umkommen. Dann wird es Lager und Biwaks geben, verdorbenes Essen, Schmutz, Läuse, Mücken, unsauberes Wasser. Es kommt, was immer kommt, was unausweichlich ist: Typhus, Ruhr und Malaria, die mindestens ein Viertel umbringen werden. Hinzuzählen muss man eine Pauschale – unvorhergesehene Unfälle, für gewöhnlich ein Fünftel des Bestandes. Nach Hause werden achthundert zurückkehren. Nicht mehr. Eher wohl weniger.
    Die Straße entlang zogen die nächsten Reiterfähnlein, hinter der Reiterei tauchten Infanterieeinheiten auf. Da marschierten Bogenschützen mit gelben Jacken und runden Helmen, Armbrustschützen mit flachen Eisenhüten, Schildträger

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