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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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mit schweren Pavesen und mit Hellebarden bewaffnete Doppelsöldner. Hinter ihnen kamen Pikeniere, wie Krebse gepanzerte Veteranen aus Vicovaro und Etolia, danach ein buntes Allerlei  – Landsknechte aus Metinna, Söldner aus Thurn, Maecht, Geso und Ebbing  ...
    Trotz der Hitze marschierten die Abteilungen zügig, der von den Söldnerstiefeln aufgewirbelte Staub ballte sich über der Straße. Trommeln dröhnten, Fahnen flatterten, es wogten und blitzten stählern die Piken, Lanzen, Hellebarden und Partisanen. Die Krieger marschierten munter und fröhlich. Da ging eine siegreiche Armee. Eine unbesiegte Armee. Weiter, Jungs, vorwärts, in den Kampf! Gen Vengerberg! Den Feind erledigen, Rache für Sodden nehmen! Sich einen lustigen Militärdienst machen, sich die Taschen voll Beute schlagen und dann nach Hause, nach Hause!
    Evertsen schaute. Und zählte.
     
    »Vengerberg fiel nach einer Woche Belagerung«, endete Rittersporn. »Du wirst dich wundern, aber dort haben die Zünfte wacker und bis zum Ende ihre Bastionen und Mauerabschnitte verteidigt. Also wurden die ganze Besatzung und die Stadtbevölkerung abgeschlachtet, an die sechstausend Menschen. Auf diese Nachricht hin begann die große Flucht. Die geschlagenen Regimenter und die Zivilbevölkerung begannen massenhaft nach Temerien und Redanien abzuwandern. Flüchtlingsmassen zogen durchs Pontartal und über die Pässe von Mahakam. Doch nicht allen gelang die Flucht. Berittene Trupps der Nilfgaarder verfolgten sie, schnitten die Fluchtwege ab  ... Weißt du, worum es ging?«
    »Ich weiß es nicht. Ich kenne mich nicht aus mit  ... mit dem Krieg, Rittersporn.«
    »Es ging um Gefangene. Um Sklaven. Sie wollten möglichst viele Menschen in die Sklaverei treiben. Für Nilfgaard ist das die billigste Arbeitskraft. Darum haben sie die Flüchtlinge so hartnäckig verfolgt. Das war eine große Menschenjagd, Geralt. Eine leichte Jagd. Denn das Heer war geflohen, und niemand verteidigte die Fliehenden.«
    »Niemand?«
    »Fast niemand.«
     
    »Wir schaffen es nicht  ...«, ächzte Villis und schaute sich um. »Wir kommen nicht fort  ... Verdammt, dabei ist die Grenze schon so nahe  ... So nahe  ...«
    Rayla stellte sich in den Steigbügeln auf, schaute auf die Landstraße, die sich zwischen den waldbedeckten Anhöhen dahinwand. So weit das Auge reichte, war die Straße von weggeworfener Habe bedeckt, von Pferdekadavern, beiseitegedrängten großen und kleinen Wagen. Hinter ihnen, hinter den Wäldern hervor, stiegen schwarze Rauchsäulen gen Himmel. Man hörte immer näher kommende Schreie, zunehmenden Kampflärm.
    »Sie erledigen die Nachhut  ...« Villis wischte sich Ruß und Schweiß vom Gesicht. »Hörst du, Rayla? Sie haben die Nachhut eingeholt und machen Kleinholz aus ihr! Wir schaffen es nicht!«
    »Jetzt sind wir die Nachhut«, sagte die Söldnerin trocken. »Jetzt sind wir an der Reihe.«
    Villis erbleichte, jemand von den zuhörenden Soldaten seufzte laut. Rayla riss an den Zügeln, wendete das Pferd, das schwer keuchte und mit Mühe den Kopf oben behielt.
    »Wir schaffen es sowieso nicht, zu fliehen«, sagte sie ruhig. »Die Pferde brechen jeden Augenblick zusammen. Ehe wir den Pass erreichen, holen sie uns ein und machen uns nieder.«
    »Wir lassen alles liegen und verschwinden in die Wälder«, sagte Villis, ohne sie anzuschauen. »Einzeln, jeder für sich. Vielleicht schaffen wir es, zu  ... überleben.«
    Rayla antwortete nicht, wies mit dem Blick und einer Kopfbewegung auf den Pass, auf die Straße, auf die letzten Glieder der langen Kolonne von Flüchtlingen, die zur Grenze hin zogen. Villis verstand. Er fluchte lästerlich, glitt aus dem Sattel, wankte, stützte sich aufs Schwert.
    »Absitzen!«, rief er den Soldaten mit heiserer Stimme zu. »Die Straße mit allem verbarrikadieren, was sich findet! Was glotzt ihr? Einmal wird man geboren und einmal geht man drauf! Wir sind die Armee! Wir sind die Nachhut! Wir müssen die Verfolger aufhalten, Zeit gewinnen  ...«
    Er verstummte.
    »Wenn wir die Verfolger aufhalten, schaffen es die Menschen nach Temerien, auf die andere Seite der Berge«, beendete Rayla den Satz, während sie ebenfalls absaß. »Dort sind Frauen und Kinder. Was gibt’s da zu gaffen? Das ist unser Beruf. Dafür werden wir bezahlt, habt ihr das vergessen?«
    Die Soldaten blickten zu Boden. Einen Moment lang glaubte Rayla, sie würden doch noch das Weite suchen, den nassen und ausgepumpten Pferden das Letzte abverlangen,

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