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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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der Kolonne der Flüchtenden nacheilen, zum rettenden Pass hin. Sie irrte sich. Sie kannte sie schlecht.
    Sie legten einen Wagen quer auf die Straße. Rasch bauten sie eine Barrikade. Eine provisorische. Niedrige. Völlig unzureichende.
    Sie brauchten nicht lange zu warten. In die Schlucht kamen zwei Pferde, schnaubend, stolpernd, Schaum vom Maule versprühend. Nur eins trug einen Reiter.
    »Blaise!«
    »Macht euch bereit  ...« Der Söldner rutschte vom Sattel in die Arme der Soldaten. »Macht euch bereit, verdammt  ... Sie sind dicht hinter mir  ...«
    Das Pferd begann zu röcheln, machte tänzelnd ein paar Schritte seitwärts, fiel auf die Hinterkeulen, stürzte schwer auf die Seite, schlug hinten aus, reckte den Hals, begann anhaltend zu wiehern.
    »Rayla  ...«, stieß Blaise heiser hervor und wandte den Blick ab. »Gebt  ... gebt mir etwas. Ich hab das Schwert verloren  ...«
    Die Kriegerin, den Blick auf die gen Himmel steigenden Rauchwolken gerichtet, wies mit einer Kopfbewegung auf die Axt, die an dem umgekippten Wagen lehnte. Blaise griff nach der Waffe, wankte. Sein linkes Hosenbein war blutgetränkt.
    »Was ist mit den anderen, Blaise?«
    »Sie haben sie abgeschlachtet«, stöhnte der Söldner. »Alle. Die ganze Abteilung  ... Rayla, das ist nicht Nilfgaard  ... Das sind die Eichhörnchen  ... Die Elfen haben uns eingeholt. Die Scioa’tael gehen voran, vor den Nilfgaardern.«
    Einer von den Soldaten seufzte durchdringend auf, ein anderer setzte sich auf den Boden und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Villis fluchte, zog die Riemen des Halbpanzers fester.
    »Auf die Plätze!«, schrie Rayla. »Hinter die Sperre! Sie kriegen uns nicht lebendig! Das verspreche ich euch!«
    Villis spuckte aus, worauf er sich mit einer raschen Handbewegung die dreifarbige, schwarz-golden-rote Kokarde der Sondereinheiten König Demawends von der Achsel riss und sie ins Gebüsch warf. Rayla, die ihr eigenes Abzeichen glatt- und den Schmutz davon abstrich, grinste schief.
    »Ich weiß nicht, ob dir das etwas nützen wird, Villis. Ich weiß nicht.«
    »Du hast’s versprochen, Rayla.«
    »Hab ich. Ich halte meine Versprechen. Auf die Plätze, Kerls! Armbrüste und Bögen bereit!«
    Sie brauchten nicht lange zu warten.
    Als sie die erste Welle zurückgeschlagen hatten, waren sie nur noch zu sechst. Der Kampf war kurz, aber erbittert. Die einberufenen Soldaten aus Vengerberg schlugen sich wie die Teufel, standen den Söldnern in nichts nach. Keiner wollte den Scioa’tael lebendig in die Hände fallen. Lieber starben sie im Kampfe. Und sie starben, von Pfeilen durchbohrt, sie starben von Lanzenstößen und von Schwerthieben. Blaise starb im Liegen, von zwei Elfen mit Stiletten erstochen, die von der Barrikade auf ihn herabgesprungen waren. Keiner dieser beiden Elfen stand wieder auf. Auch Blaise hatte ein Stilett.
    Die Scioa’tael gönnten ihnen keine Ruhepause. Ein zweites Kommando stürzte sich auf sie. Villis, zum dritten Mal von einer Lanze getroffen, fiel.
    »Rayla!«, rief er undeutlich. »Du hast’s versprochen!«
    Die Söldnerin, die gerade den nächsten Elf erledigt hatte, wandte sich rasch um. »Mach’s gut, Villis.« Sie setzte dem Liegenden die Schwertspitze dicht unter den Brustkasten und stieß kräftig zu. »Bis bald in der Hölle!«
    Einen Augenblick später war sie allein. Die Scioa’tael umringten sie von allen Seiten. Die Kriegerin, von Kopf bis Fuß blutbeschmiert, hob das Schwert, wirbelte herum, ließ den schwarzen Zopf sausen. Sie stand inmitten von Leichen, schrecklich, verzerrt wie ein Dämon. Die Elfen wichen zurück.
    »Kommt!«, schrie sie wild. »Worauf wartet ihr? Mich kriegt ihr nicht lebendig! Ich bin die Schwarze Rayla!«
    »Gláedyvv vort, beanna«, sagte ruhig ein hellhaariger Elf mit dem Gesicht eines Cherubs und den großen kornblumenblauen Augen eines Kindes. Er kam hinter den Scioa’tael hervor, die sie umringten und noch immer zögerten. Sein schneeweißes Pferd schnaubte, bewegte kräftig den Kopf auf und ab, scharrte energisch mit einem Huf im blutgetränkten Sand der Landstraße.
    »Gláedyvv vort, beanna«, wiederholte der Reiter. »Wirf das Schwert weg, Weib.«
    Die Söldnerin lächelte makaber, fuhr sich mit der Ärmelmanschette übers Gesicht, verschmierte den Schweiß, der mit Staub und Blut vermengt war.
    »Mein Schwert hat zu viel gekostet, als dass ich es wegwerfen würde, Elf!«, rief sie. »Um es zu nehmen, wirst du mir die Finger brechen müssen! Ich

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