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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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die Gruppe, die um den Tisch stand. »Ein Bote vom Feld ist gekommen! Wir haben gesiegt! Die Schlacht ist gewonnen! Viktoria! Uns, uns gehört der Tag! Wir haben den Feind geschlagen, haben ihn aufs Haupt geschlagen!«
    »Nicht so laut.« Evertsen verzog das Gesicht. »Von eurem Geschrei platzt einem ja der Kopf. Ja, ich hab’s gehört. Wir haben den Feind geschlagen. Der Tag gehört uns, das Schlachtfeld und die Viktoria auch. Das ist mir vielleicht eine Sensation.«
    Die Intendanten und Registratoren wurden leiser, schauten den Vorgesetzten verwundert an.
    »Freut Ihr Euch nicht, Herr Kämmerer?«
    »Ich freue mich. Aber ich kann das leise tun.«
    Die Registratoren schwiegen, blickten zu Boden. Grüne Jungs, dachte Evertsen. Aufgeregte Hosenscheißer. Über sie wundere ich mich eigentlich nicht, aber bitte sehr, dort oben – sogar Menno Coehoorn und Elan Trahe, ja sogar der graubärtige General Braibant schreien, springen vor Freude und klopfen einander unter Glückwünschen auf die Schultern. Viktoria! Unser der Tag! Wessen denn sonst? Die Königreiche Aedirn und Lyrien haben zusammen dreitausend Mann Kavallerie und zehntausend Mann Fußtruppen mobilisieren können, von denen ein Fünftel schon in den ersten Tagen der Invasion blockiert wurde, in Forts und Festungen abgeschnitten. Einen Teil der restlichen Armee mussten sie zurückziehen, um die Flanken zu decken, die von Vorstößen der leichten Reiterei und Partisanenunternehmen der Scioa’tael bedroht waren. Die übrigen fünf- oder sechstausend – darunter nicht mehr als tausendzweihundert Ritter – haben sich auf den Feldern vor Aldersberg zur Schlacht gestellt. Coehoorn hat ihnen eine Armee von dreizehntausend Mann entgegengeworfen, darunter zehn Fähnlein Panzerreiter, die Blüte der Nilfgaarder Ritterschaft. Und jetzt freut er sich, brüllt herum, haut sich mit dem Marschallsstab auf den Schenkel und ruft nach Bier  ... Viktoria! Das ist mir vielleicht eine Sensation.
    Mit einer heftigen Bewegung schob er die auf dem Tisch liegenden Karten und Aufzeichnungen zu einem Haufen zusammen, hob den Kopf, blickte um sich.
    »Spitzt die Ohren«, sagte er scharf zu den Registratoren. »Ich werde Anordnungen treffen.«
    Seine Untergebenen erstarrten erwartungsvoll.
    »Jeder von euch«, begann er, »hat sich gestern die Rede von Marschall Coehoorn vor den Hauptleuten und Offizieren angehört. Ich weise die Herren darauf hin, dass das, was der Marschall zu den Militärs gesagt hat, euch nicht betrifft. Ihr habt andere Aufgaben und Befehle zu erfüllen. Meine Befehle.«
    Evertsen überlegte, rieb sich die Stirn.
    »Krieg den Schlössern, Friede den Hütten, hat Coehoorn gestern zu den Führern gesagt. Ihr kennt diesen Grundsatz«, fügte er sofort hinzu, »man hat ihn euch an der Militärakademie beigebracht. Dieser Grundsatz galt bis gestern, von morgen an müsst ihr ihn vergessen. Von morgen an gilt ein anderer Grundsatz, der jetzt die Losung des von euch geführten Krieges sein wird. Diese Losung und mein Befehl lauten: Krieg gegen alles, was lebt. Krieg gegen alles, was Feuer fängt. Ihr sollt verbrannte Erde zurücklassen. Von morgen an tragen wir den Krieg über die Linie vor, hinter die wir uns nach Unterzeichnung des Friedensvertrages zurückziehen werden. Wir werden uns zurückziehen, aber dort, jenseits der Linie, muss verbrannte Erde zurückbleiben. Die Königreiche Rivien und Aedirn müssen zu Asche werden! Denkt an Sodden! Heute ist die Zeit der Erwiderung gekommen!«
    Evertsen räusperte sich laut.
    »Bevor die Militärs verbrannte Erde zurücklassen«, sagte er zu den schweigenden Registratoren, »ist es eure Aufgabe, von dieser Erde und aus diesem Land alles herauszuholen, was herauszuholen ist, alles, was den Reichtum unseres Vaterlandes mehren kann. Du, Audegast, kümmerst dich um Verladung und Abtransport der schon geernteten und gespeicherten landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Was noch auf den Feldern steht und was die wackeren Ritter Coehoorns nicht vernichten, muss geerntet werden.«
    »Ich habe wenig Leute, Herr Kämmerer  ...«
    »Es wird genug Gefangene geben. Treibt sie zur Arbeit. Marder und du  ... Ich habe deinen Namen vergessen  ...«
    »Helvet. Evan Helvet, Herr Kämmerer.«
    »Ihr befasst euch mit dem lebenden Inventar. Zu Herden sammeln, an den festgelegten Punkten zur Quarantäne zusammenziehen. Auf Maul- und Klauenseuche und andere Krankheiten achten. Kranke oder verdächtige Stücke töten, die Kadaver verbrennen. Den

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