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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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er sah nur die weißen Haare und den sogar im Dunkeln sichtbaren vieltägigen weißen Stoppelbart.
    »Ich bin nicht böse.« Er fühlte eine Hand auf der Schulter, und die bisher kalte Stimme schien ihm ein wenig verändert. »Ich freue mich, dass du gekommen bist, Hundesohn.«
     
    »Kalt ist es hier.« Rittersporn schüttelte sich, dass die Zweige raschelten, auf denen sie saßen. »Ein kleines Feuerchen  ...«
    »Das solltest du nicht mal denken«, murmelte der Hexer. »Hast du vergessen, wo du dich befindest?«
    »Dass sie derart  ...« Der Troubadour blickte sich erschrocken um. »Keinerlei Feuer, ja?«
    »Bäume hassen Feuer. Sie auch.«
    »Mist. Wir werden im Kalten sitzen? Und in dieser verdammten Finsternis? Man sieht die Hand vor Augen nicht  ...«
    »Dann halt sie nicht vor die Augen.«
    Rittersporn seufzte, zog die Schultern ein, rieb sich die Arme. Er hörte, wie der neben ihm sitzende Hexer mit den Fingern kleine Zweige zerbrach.
    In der Dunkelheit flammte plötzlich ein kleines grünes Licht auf, zunächst schwach und undeutlich, doch bald schon heller. Nach dem ersten gingen weitere an, an vielen Stellen, bewegten sich und tanzten wie Glühwürmchen oder wie Irrlichter auf dem Sumpf. Den Wald belebten auf einmal schwankende Schatten, Rittersporn begann die Silhouetten der sie umringenden Dryaden wahrzunehmen. Eine kam näher, stellte vor ihnen etwas hin, das wie ein angezündeter Klumpen Pflanzen aussah. Der Dichter streckte vorsichtig eine Hand danach aus. Das grüne Feuer war ganz und gar kalt.
    »Was ist das, Geralt?«
    »Mull und eine Art Moos. Das wächst nur hier im Brokilon. Und nur sie wissen, wie man das alles zusammenbringt, dass es leuchtet. Dank dir, Fauve.«
    Die Dryade antwortete nicht, ging aber auch nicht weg. Sie hockte sich neben die beiden. Um ihren Kopf war ein Kranz gewunden, die langen Haare fielen ihr auf die Schultern. Im Lichte sahen die Haare grün aus, doch vielleicht waren sie es wirklich. Rittersporn wusste, dass die Haare der Dryaden die sonderbarsten Farben haben konnten.
    »Táedh«, sagte sie melodisch und richtete ihren Blick auf den Troubadour; ihre Augen blitzten in dem kleinen Gesicht, über das schräg zwei parallele Streifen Tarnbemalung liefen. »Ess’ve vort sh’aente aen Ettariel? Sh’aente a’vean vort?«
    »Nein  ... Vielleicht später«, antwortete er höflich und wählte dabei sorgsam die Worte in der Älteren Rede. Die Dryade seufzte, beugte sich vor, strich sanft über das Griffbrett der nahebei liegenden Laute, stand federnd auf. Rittersporn schaute ihr nach, als sie in den Wald ging, zu den anderen, deren unstete Schatten im blassen Schein der grünen Laternen wankten.
    »Ich habe sie doch wohl nicht gekränkt, oder?«, fragte er leise. »Sie sprechen einen eigenen Dialekt, ich kenne die Höflichkeitsformen nicht  ...«
    »Schau nach, ob du ein Messer im Bauch hast.« In der Stimme des Hexers klangen weder Spott noch Humor. »Dryaden reagieren auf eine Kränkung, indem sie einem ein Messer in den Bauch stoßen. Keine Angst, Rittersporn. Anscheinend sind sie geneigt, dir viel mehr als Versprecher nachzusehen. Das Konzert, das du am Waldrand gegeben hast, hat ihnen ausnehmend gut gefallen. Du bist jetzt ein
ard táedh
, ein großer Barde. Sie warten auf die Fortsetzung der ›Blume von Ettariel‹. Kennst du die Fortsetzung? Immerhin ist es nicht deine eigene Ballade.«
    »Es ist meine Übersetzung. Ich habe auch die Elfenmusik ein wenig bereichert, hast du das nicht bemerkt?«
    »Nein.«
    »Das dachte ich mir. Zum Glück verstehen die Dryaden mehr von Kunst. Irgendwo habe ich gelesen, dass sie außergewöhnlich musikalisch sind. Darauf habe ich meinen schlauen Plan gegründet, für den du mich übrigens noch nicht gelobt hast.«
    »Ich lobe dich«, sagte der Hexer nach kurzem Schweigen. »Das war wirklich schlau. Und das Glück hat auch das Seine beigetragen, wie bei dir üblich. Ihre Pfeile treffen auf zweihundert Schritt tödlich. Für gewöhnlich warten sie nicht ab, bis jemand, der auf ihre Seite des Flusses kommt, zu singen anfängt. Sie reagieren sehr empfindlich auf unangenehme Gerüche. Und wenn die Strömung des Bandwassers den Leichnam wegträgt, stinkt es bei ihnen am Waldrand nicht.«
    »Ach, was soll’s.« Der Dichter räusperte sich, schluckte. »Am wichtigsten ist, dass es mir gelungen ist, dich zu finden. Geralt, wie bist du hier  ...«
    »Hast du ein Rasiermesser?«
    »Hä? Klar doch, hab ich.«
    »Das wirst du mir

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