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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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beliebt.«
     
    Wie üblich war ihr das Glück nicht lange hold. Als sie aus dem Säulengang hinter eine Mauer lief, ins Schlehdorngebüsch, wurde sie gepackt. Der sie gepackt hatte und mit unheimlich starkem Griff festhielt, war ein untersetzter Mann mit angeschwollener Nase und aufgeplatzter Wange.
    »Da haben wir dich ja«, zischte er. »Da haben wir dich, Püppchen!«
    Ciri zuckte zusammen und schrie auf, denn die ihre Schultern umklammernden Hände sandten plötzlich einen krampfartigen Schmerz aus, der ihr die Kraft nahm. Der Mann lachte laut auf.
    »Zapple nicht, graues Vögelchen, denn sonst senge ich dir die Federchen an. Komm, lass dich anschauen. Ich will einen Blick auf das Küken werfen, das für Emhyr var Emreis, den Imperator von Nilfgaard, so viel wert ist. Und für Vilgefortz.«
    Ciri hörte auf, sich zu winden.
    Der untersetzte Mann leckte sich die aufgeplatzte Lippe. »Merkwürdig«, zischte er und beugte sich zu ihr herab. »Anscheinend so wertvoll, aber ich, weißt du, würde für dich keinen roten Heller geben. Wie der Schein doch trügt. Ha! Mein Schatz! Und wenn nicht Vilgefortz dich Emhyr auf dem Präsentierteller überreichen würde, nicht Rience, nicht dieser Laffe mit dem gefiederten Helm, sondern der alte Terranova? Ob Emhyr dem alten Terranova seine Gunst erweisen würde? Was sagst du dazu, kleine Weissagerin? Denn weissagen kannst du ja!«
    Sein Atem stank unerträglich. Ciri drehte den Kopf weg, verzog das Gesicht. Er verstand es falsch.
    »Picke nicht mit dem Schnäbelchen nach mir, Vögelchen! Ich fürchte mich nicht vor Vögelchen. Oder sollte ich? Was, falsche Wahrsagerin? Untergeschobene Prophetin? Sollte ich mich vor Vögelchen fürchten?«
    »Solltest du«, flüsterte Ciri, die spürte, wie sich ihr der Kopf drehte und eine plötzliche Kälte sie erfasste.
    Terranova lachte und warf den Kopf zurück. Das Lachen wurde zu einem Schmerzensschrei. Eine große graue Eule segelte lautlos von oben herab und schlug ihm die Krallen in die Augen. Der Zauberer ließ Ciri los, riss die Eule mit einer heftigen Bewegung von sich los, doch gleich darauf stürzte er auf die Knie und fasste sich ans Gesicht. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. Ciri schrie auf, wich zurück. Terranova nahm die blutigen und schleimbedeckten Hände vom Gesicht, begann mit wilder, brechender Stimme einen Zauberspruch zu skandieren. Es gelang ihm nicht. Hinter seinem Rücken tauchte eine undeutliche Gestalt auf, eine Hexerklinge pfiff durch die Luft und durchtrennte ihm den Hals direkt unterm Genick.
     
    »Geralt!«
    »Ciri.«
    »Jetzt ist keine Zeit für Gefühlsduselei«, sagte von der Mauerkrone her die Eule, während sie sich in eine dunkelhaarige Frau verwandelte. »Flieht! Es kommen Eichhörnchen!«
    Ciri löste sich aus Geralts Armen, schaute verwundert zu ihr hin. Die auf der Mauerkrone sitzende Eulenfrau sah grässlich aus. Sie war angesengt, zerlumpt, mit Asche und Blut beschmiert.
    »Du kleines Ungeheuer«, sagte die Eulenfrau von oben herabblickend. »Für diese deine Weissagung zur Unzeit müsstest du  ... Aber ich habe deinem Hexer etwas versprochen, und ich halte immer Wort. Ich konnte dir Rience nicht geben, Geralt. Zum Ausgleich gebe ich dir sie. Lebendig. Flieht!«
     
    Cahir Mawr Dyffryn aep Ceallach war wütend. Das Mädchen, das zu ergreifen ihm befohlen war, hatte er nur für einen Moment gesehen, und noch ehe er etwas unternehmen konnte, hatten diese verdammten Zauberer in Garstang so ein Höllenspektakel aufgeführt, dass es unmöglich war, irgendetwas zu unternehmen. Cahir hatte inmitten von Rauch und Feuer die Orientierung verloren, war blindlings durch die Korridore geirrt, über Treppen und Galerien gerannt und hatte dabei Vilgefortz, Rience, sich selbst und die ganze Welt verflucht.
    Von einem Elf, dem er begegnet war, hatte er erfahren, dass man das Mädchen außerhalb des Palastes gesehen hatte, wie es in Richtung Aretusa floh. Und dann war das Glück Cahir hold. Die Scioa’tael fanden im Stall ein gesatteltes Pferd.
     
    »Lauf voran, Ciri. Sie sind nahe. Ich werde sie aufhalten, du aber lauf. Lauf, so schnell du kannst! Wie auf der ›Quälerei‹!« »Du willst mich auch alleinlassen?«
    »Ich werde dicht hinter dir sein. Aber schau nicht zurück!«
    »Gib mir mein Schwert, Geralt.«
    Er schaute sie an. Ciri wich instinktiv zurück. Solche Augen hatte sie bei ihm noch niemals gesehen.
    »Wenn du ein Schwert hast, wirst du vielleicht töten müssen. Wirst du es

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