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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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können?«
    »Ich weiß nicht. Gib mir das Schwert.«
    »Lauf. Und schau nicht zurück.«
     
    Auf der Straße ertönte Hufschlag. Ciri schaute sich um. Und erstarrte, von Furcht gelähmt.
    Es verfolgte sie ein schwarzer Ritter mit einem Helm, der mit den Flügeln eines Raubvogels verziert war. Die Flügel rauschten, der schwarze Mantel wehte. Die Hufeisen schlugen Funken aus dem Straßenpflaster.
    Sie war nicht imstande, sich zu bewegen.
    Das schwarze Pferd brach durch Büsche am Straßenrand, der Ritter schrie laut. In diesem Schrei lag Cintra. Darin lagen Nacht, Mord, Blut und Brand. Ciri überwand die Furcht, die sich ihrer bemächtigt hatte, und wandte sich zur Flucht. Mit Anlauf sprang sie über eine Hecke, gelangte in einen kleinen Hof mit einem Springbrunnen. Der Hof hatte keinen Ausgang, ringsum lagen Mauern, hoch und glatt. Das Pferd schnaubte dicht hinter ihrem Rücken. Sie wich zurück, strauchelte und zuckte zusammen, als sie mit dem Rücken gegen die harte, unnachgiebige Wand stieß. Sie saß in der Falle.
    Der Raubvogel schlug mit den Flügeln, stieg zum Flug auf. Der schwarze Ritter riss das Pferd hoch, übersprang die Hecke, die ihn vom Hof trennte. Klirrend trafen die Hufe auf die Steinplatten, das Pferd glitt aus, rutschte nach vorn, setzte sich auf die Hinterkeulen. Der Ritter wankte im Sattel, beugte sich vor. Das Pferd kam wieder auf die Beine, und der Ritter fiel herab, dass die Rüstung auf dem Stein schepperte. Er erhob sich jedoch sofort wieder, schnitt Ciri rasch den Weg aus der Ecke ab.
    »Du wirst mich nicht anrühren!«, rief sie und zog das Schwert. »Nie mehr wirst du mich anrühren!«
    Der Ritter kam langsam näher, ragte vor ihr auf wie ein riesiger schwarzer Turm. Die Flügel an seinem Helm regten sich und raschelten.
    »Du entkommst mir nicht mehr, Löwenjunges von Cintra.« Im Visierschlitz des Helms brannten gnadenlose Augen. »Diesmal nicht. Diesmal kannst du nirgendhin entfliehen, verrücktes Fräulein.«
    »Du wirst mich nicht anrühren«, wiederholte sie mit vor Entsetzen gedrückter Stimme, den Rücken gegen die steinerne Wand gepresst.
    »Ich muss. Ich führe Befehle aus.«
    Als er die Hand nach ihr ausstreckte, verschwand die Furcht plötzlich, an ihre Stelle trat wilder Zorn. Die angespannten, vor Schrecken erstarrten Muskeln kamen wie Sprungfedern in Gang, alle in Kaer Morhen erlernten Bewegungen liefen von selbst ab, glatt und fließend. Ciri sprang, der Ritter stürzte sich auf sie, war aber nicht auf die Pirouette gefasst, mit der sie sich mühelos der Reichweite seiner Hände entzog. Das Schwert heulte auf und biss zu, traf zielsicher zwischen die Platten seines Panzers. Der Ritter wankte, fiel auf ein Knie, unter dem Schulterstück quoll hellrotes Blut hervor. Ciri schrie wütend auf, vollführte eine Pirouette um ihn herum, schlug abermals zu, diesmal direkt auf die Helmglocke, was den Ritter aufs zweite Knie warf. Wut und Raserei ließen sie nichts sehen als die verhassten Flügel. Die schwarzen Federn stiebten, einer der Flügel fiel ab, der andere hing auf das blutige Schulterstück herunter. Der Ritter, der sich immer noch vergeblich bemühte, auf die Füße zu kommen, versuchte die Schwertklinge mit der gepanzerten Faust festzuhalten und stöhnte vor Schmerz auf, als das Hexerschwert durch den Kettenpanzer in die Handfläche schnitt. Unter dem nächsten Schlag fiel der Helm herab. Ciri sprang zurück, um für den letzten, tödlichen Stoß Schwung zu holen.
    Sie stieß nicht zu.
    Da war kein schwarzer Helm mehr, verschwunden die Flügel eines Raubvogels, deren Rauschen sie in den Albträumen verfolgt hatte. Der schwarze Ritter von Cintra war nicht mehr da. Da war ein in einer Blutlache kniender bleicher, dunkelhaariger junger Mann mit rasenden blauen Augen und einem zu einer Grimasse der Angst verzerrten Mund. Der schwarze Ritter von Cintra war unter den Hieben ihres Schwertes gefallen, er existierte nicht mehr, von den furchterregenden Schwingen waren nur zerhackte Federn geblieben. Der fassungslose, zusammengekrümmte, blutende junge Mann war ein Niemand. Sie kannte ihn nicht, hatte ihn niemals gesehen. Er ging sie nichts an. Sie hatte keine Angst vor ihm, hasste ihn nicht. Und sie wollte ihn nicht töten.
    Sie ließ das Schwert aufs Pflaster fallen.
    Sie wandte sich um, als sie die Rufe der Scioa’tael hörte, die von Garstang her gerannt kamen. Ihr war klar, dass sie sie jeden Augenblick in dem Hof umzingeln würden. Ihr war klar, dass sie sie auf der

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