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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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mit dem Messer töten, denn seine Auftraggeber warten nur darauf, dass eine von uns sich offenbart, indem sie Magie einsetzt. Und sie werden es erleben, aber noch nicht jetzt  ... Bist du schon vollends bei Bewusstsein?«
    »Diese Zauberer  ...«, flüsterte Ciri. »Die in dem großen Saal  ... Was habe ich ihnen gesagt? Und warum habe ich das gesagt? Ich wollte überhaupt nicht  ... Aber ich musste reden! Warum? Warum, Frau Yennefer?«
    »Still, Eulchen. Ich habe einen Fehler gemacht. Niemand ist vollkommen.«
    Von unten drangen Poltern und ein durchdringender Schrei herauf.
    »Komm. Schnell. Wir haben keine Zeit.«
    Sie liefen einen Korridor entlang. Der Rauch wurde immer dichter, nahm den Atem, die Sicht. Die Mauern erzitterten von Explosionen.
    »Ciri.« Yennefer blieb an der Kreuzung zweier Korridore stehen, drückte dem Mädchen fest die Hand. »Hör mir jetzt zu, hör aufmerksam zu. Ich muss hierbleiben. Siehst du diese Treppe? Du gehst hinab  ...«
    »Nein! Lass mich nicht allein!«
    »Ich muss. Noch einmal: Du gehst diese Treppe hinab. Bis ganz nach unten. Dort ist eine Tür, dahinter ein langer Korridor. Am Ende des Korridors ist ein Stall, darin steht ein gesatteltes Pferd. Nur eins. Du führst es hinaus und sitzt auf. Das ist ein geübtes Pferd, es dient den Boten, die nach Loxia reiten. Es kennt den Weg, du brauchst es nur anzutreiben. Wenn du in Loxia bist, machst du Margarita ausfindig und unterstellst dich ihrem Schutz. Weiche keinen Schritt von ihrer Seite  ...«
    »Frau Yennefer! Nein! Ich will nicht allein sein!«
    »Ciri«, sagte die Zauberin leise. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich alles, was ich tue, zu deinem Besten tue. Vertrau mir. Ich bitte dich, vertrau mir. Lauf.«
    Ciri war schon auf der Treppe, als sie Yennefers Stimme noch einmal hörte. Die Zauberin stand an einer Säule, presste die Stirn dagegen.
    »Ich hab dich lieb, Töchterchen«, sagte sie undeutlich. »Lauf.«
     
    Sie umzingelten sie auf halber Treppe. Von unten zwei Elfen mit Eichhörnchenschwänzen an den Mützen, von oben ein Mensch in schwarzer Kleidung. Ciri sprang ohne zu überlegen übers Geländer und floh in einen Seitenkorridor. Sie rannten ihr nach. Sie war schneller und wäre ihnen mühelos entkommen, hätte der Korridor nicht an einer Fensteröffnung geendet.
    Sie schaute hinaus. Die Mauer entlang zog sich ein Steinsims, vielleicht zwei Spannen breit. Ciri stieg über die Brüstung und trat hinaus. Sie entfernte sich vom Fenster, mit dem Rücken an die Mauer gepresst. In der Ferne glänzte das Meer.
    Aus dem Fenster lehnte sich ein Elf. Er hatte helles Haar und grüne Augen, um den Hals ein Seidentuch. Ciri schob sich rasch fort, zu einem anderen Fenster hin. Doch zu diesem Fenster schaute der Mensch in der schwarzen Kleidung heraus. Er hatte dunkle und widerwärtige Augen, auf der Wange einen rötlichen Fleck.
    »Wir haben dich, Mädchen!«
    Sie schaute nach unten. Unter sich, sehr weit, sah sie einen Hof. Über dem Hof aber, vielleicht zehn Fuß unter dem Sims, auf dem sie stand, spannte sich eine Brücke zwischen zwei Kreuzgängen. Nur dass das keine Brücke war. Es waren die Trümmer einer Brücke. Ein schmaler steinerner Steg mit Resten des eingestürzten Geländers.
    »Worauf wartet ihr?«, rief der mit der Narbe. »Klettert raus und greift sie euch!«
    Der hellhaarige Elf kam vorsichtig auf den Sims, presste sich mit den Schultern an die Wand. Er streckte die Hände aus. Kam näher.
    Ciri schluckte Speichel hinunter. Der steinerne Steg, die Überbleibsel einer Brücke, war nicht schmaler als das Schaukelbrett in Kaer Morhen, und sie war Dutzende Male auf das Schaukelbrett gesprungen, sie konnte den Sprung abfedern und das Gleichgewicht halten. Das Schaukelbrett der Hexer freilich hing vier Fuß über dem Boden, unter dem steinernen Steg jedoch gähnte ein derart tiefer Abgrund, dass die Steinplatten des Hofes nicht einmal handgroß aussahen.
    Sie sprang, landete, hielt das Gleichgewicht, wobei sie an dem eingefallenen Geländer Halt fand. Mit sicheren Schritten erreichte sie einen Säulengang. Sie konnte es sich nicht verkneifen – sie drehte sich um und zeigte den Verfolgern den gekrümmten Ellenbogen, eine Geste, die ihr der Zwerg Yarpen Zigrin beigebracht hatte. Der Mann mit der Narbe fluchte laut.
    »Spring!«, rief er dem hellhaarigen Elf zu, der auf dem Sims stand. »Spring ihr nach!«
    »Du musst verrückt sein, Rience«, sagte der Elf kalt. »Spring selber, wenn’s

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