Die Zeit, die Zeit (German Edition)
holte Mineralwasser, Aufschnitt und Salat aus der Küche und bat zu Tisch.
»Warum beauftragen Sie kein Vermessungsbüro?«, fragte Taler beim Essen.
Knupp kaute weiter an seinem Bissen und rieb als Antwort Daumen und Zeigefinger aneinander. »Wir brauchen das Geld für anderes«, erklärte er, als er geschluckt hatte.
Taler fragte nicht, wofür. Sie aßen schweigend zum bedächtigen Ticken der Pendeluhr.
»Meine alte Leica gibt es heutzutage auch digital. Die alten Objektive passen noch immer. Das würde uns viel Zeit und die ganze Laborarbeit sparen.«
Taler begnügte sich damit zu nicken.
»Nur: Dazu bräuchte man einen Computer.«
Taler drapierte zwei Scheiben Fleischkäse auf ein Brot.
»Wie gut kennen Sie sich mit Computern aus?«
Taler sah auf. »Es geht.«
»Haben Sie einen?«
»Den von Laura.« Er hatte keine Lust, sich noch tiefer in die Sache hineinziehen zu lassen.
»Können Sie da helfen?«
»Vielleicht«, sagte Taler schließlich doch.
»Vielleicht reicht nicht, ich muss es sicher wissen, das Ding kostet ein paar Tausender.«
»Okay.«
»Danke.«
Taler blickte erstaunt auf. Es war das erste Danke, das er von Knupp gehört hatte.
Kurz vor vier überzog sich der Himmel mit schwarzen Regenwolken, und ein stürmischer Wind erschwerte ihnen die Arbeit. Aber Knupp machte keine Anstalten, Schluss zu machen. Sie waren dabei, Marthas mit allerlei Immergrünem bepflanzten und mit Muscheln geschmückten Steingarten einzumessen, und Knupp ignorierte verbissen die Böen. Erst als es in Strömen zu regnen begann, floh Taler unter das Vordach des Hauseingangs. Knupp montierte den Theodoliten von seinem Stativ ab und gesellte sich zu ihm. »Nur ein Platzregen«, behauptete er, »in ein paar Minuten ist es vorbei.«
Der Regen trommelte auf das Eternit des Vordachs, ließ die Blätter des Flieders hüpfen, überzog den Plattenweg mit einem Teppich aus aufspritzenden Wassertropfen, ließ das Regenfass unter dem Abflussrohr überlaufen und verschleierte die Nachbarhäuser.
»Das erinnert mich an die Nafurahi Lodge«, sagte Knupp. »Martha fühlte sich nicht wohl an diesem Tag, und wir blieben in der Lodge. Außer uns und dem Personal war niemand da. Wir saßen in der Bar, Martha hatte die Idee gehabt, mitten am Tag Gin Tonic zu bestellen. Sie, die schon von einem Schluck Wein beschwipst war. Wir saßen an einem kleinen Tisch an der Brüstung – die Bar hatte keine Fenster – und sahen auf das Wasserloch hinunter. Es war nicht viel los dort, ein paar Antilopen, Vögel, Hyänen. Und plötzlich fing es an zu regnen. So wie jetzt. Als hätte es immer geregnet und würde es immer regnen.«
Sie hörten dem Wolkenbruch zu.
»Nafurahi Lodge. Das ist Swahili. Wissen Sie, was das heißt, Nafurahi?« Knupp erwartete keine Antwort. »›Ich bin glücklich.‹«
Das Trommeln und Rauschen schwoll an. Knupp begann, mit einem Lappen den Theodoliten zu trocknen.
»Wir waren noch nie in Afrika«, sagte Peter Taler.
Knupp sah nicht von seiner Beschäftigung auf. Aber er sagte: »Nicht wahr, das passiert einem immer wieder.«
»Was?«
»So ein noch, zum Beispiel. ›Wir waren noch nie in Afrika.‹ Als könnten Sie es nachholen. Es will nicht in unsere Köpfe. Und es muss auch nicht. Das weiß ich jetzt.«
»Sie wissen es?«
»Ja. Es ist zwar ein neues Wissen, ich bin immer noch dabei, es mir ganz zu eigen zu machen. Aber ich mache Fortschritte. Alte Menschen lernen langsamer. Aber sie lernen noch immer.«
Das Regenwasser kam stoßweise aus dem grüngestrichenen Rohr und bildete das einzige unregelmäßige Geräusch in dem monotonen Rauschen.
»Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich ins Zeitdenken zurückfalle. Schade, denke ich zum Beispiel, dass ich nicht früher darauf gestoßen bin und so viel Zeit verloren habe.« Knupp sah Taler an und lachte, wie über einen mittelmäßigen Witz. »Wie kann man etwas verlieren, das es gar nicht gibt?«
Taler lächelte nur schwach. »Ich wünschte, ich könnte auch daran glauben.«
»Glauben! Glauben ist für die Religionen. Glauben muss man an das, was nicht wissenschaftlich bewiesen ist. Gott, das Leben nach dem Tod, die Schöpfung. Hier geht es um Wissen, junger Mann. Wissenschaft.«
»Im Zimmer Ihrer Frau steht ein Buddha.«
»Ja. Sie war auf der Suche. Wenn ich das mehr respektiert hätte, wären wir nach Nepal und in den Tibet gereist und könnten uns das hier alles ersparen.« Einen Moment starrte er verloren in den verregneten Garten.
»An das Schicksal
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