Die Zeit, die Zeit (German Edition)
sieben, als er bei A. u. M. Knupp-Widler klingelte. Die übliche Zeit.
»Wertinger liefert schon morgen früh, kannst du freinehmen?«, war Knupps Begrüßung.
»Morgen habe ich ohnehin frei«, gab Taler zur Antwort.
Sie setzten sich an den Tisch zum Abendessen. Knupp hatte seinen Wurst-Käse-Salat gemacht aus Cervelat, Emmentaler, Zwiebelringen, Essig, Öl und Senf. Taler aß mit ungewöhnlichem Appetit, tunkte sogar am Schluss die Sauce mit dem Bauernbrot auf.
Dann zeigte er die Lackmuster. »Kommen dir die Farben bekannt vor?«
Knupp sah sie sich an. »Ich glaube schon.«
»Es seien die Standardfarben gewesen für diese Modelle, sagt mein Gewährsmann.«
»Hast du mit ihm über den Preis verhandeln können?«
»Die drei Autos sind bezahlt.«
Knupp sah ihn ungläubig an. »Wie das?«
»Ich habe mir was einfallen lassen«, lächelte Taler.
Der Alte ergriff sein Bier, lehnte sich im Stuhl zurück, trank einen tiefen Schluck und sagte: »Siehst du.«
So klar war der Himmel, dass es noch immer nicht ganz dunkel war, als Peter Taler um kurz vor halb elf aus Knupps Haus trat. Er ging direkt zum Zaun des Hintergartens und kletterte drüber. In der Villa Latium war kein Licht zu sehen.
In den Kinderzimmern des Nachbarhauses waren die bunten Vorhänge hinterleuchtet, in der Küche bot sich das gleiche Bild wie vor ein paar Tagen: Frau Hadlauber räumte die Küche auf, ihr Mann stand mit einem Glas in der Hand daneben.
Taler schlich weiter.
Im Fahrradunterstand waren das Moped und ein Fahrrad zu sehen. Wahrscheinlich das des Mopedfahrers.
Er näherte sich seinem Beobachtungsposten.
Plötzlich hörte er ein Geräusch. Er stand bockstill und lauschte. Nichts. Vorsichtig ging er weiter.
Nach ein paar Schritten sprang vor ihm ein Tier auf, rannte auf ihn zu, machte kehrt und verschwand im Gebüsch. Es war die dreifarbige, von Knupp nicht geduldete Katze.
Mit klopfendem Herzen ging Taler bis zur Zaunecke und kauerte nieder.
Wieder war die Küche nur schwach beleuchtet von dem Licht, das durch die spaltbreit geöffnete Tür aus dem Korridor hereindrang. Kein Mensch war zu sehen, aber durch das offene Küchenfenster klang leise klassische Musik.
Taler richtete sich auf eine lange Wartezeit ein. Aber schon ein paar Minuten später wurde die Tür aufgestoßen. Für einen kurzen Moment zeichnete sich die Silhouette eines Mannes in der erleuchteten Öffnung ab, dann ging das Licht an.
Der Mopedfahrer.
Er öffnete einen Schrank über der Anrichte, suchte, nahm eine Schachtel herunter, öffnete sie, schloss sie wieder, legte sie zurück, suchte weiter, fand eine lange schmale Packung, riss sie auf, nahm etwas heraus und steckte es in den Mund.
Mit vollen Backen kauend ging er zum Kühlschrank, entnahm ihm eine Packung Milch, ließ die Kühlschranktür offen, suchte nach einem Glas, schenkte es voll, tat die Milchpackung zurück in den Kühlschrank und ließ die Tür zufallen.
Er trank einen Schluck Milch, steckte sich wieder etwas aus der Schachtel in den Mund, klemmte sie unter den Arm und machte mit der freien Hand das Licht aus. Peter sah ihn im Gang verschwinden.
Ohne Zögern nahm er die Waffe aus der Tasche, steckte sie in den Hosenbund, kletterte über den Zaun und ging zum Hauseingang. Wie zu einer x-beliebigen Verabredung.
Die Lampe unter dem Vordach brannte, und durch die gelben Scheiben der Haustür sah er das Licht im Korridor.
Er drückte auf die Türklinke. Die Tür war offen. Mit der Möglichkeit, dass sie verschlossen war, hatte er auch gerechnet. Dann hätte er einfach geklingelt und den Mann mit der Pistole im Anschlag erwartet.
Er schloss die Tür hinter sich, zog die Waffe aus dem Bund und öffnete die Windfangtür.
Der Korridor hing voller Poster. Pulp Fiction, Blade Runner, Clockwork Orange, The Fifth Element, eines neben dem anderen wie der Eingang eines Dorfkinos. Auf halbem Weg zum Wohnzimmer war eine mit Jacken und Mänteln vollbehängte Garderobe. Auf der Hutablage der schwarze Integralhelm. Selbst aus dieser Nähe war sein Schriftzug unleserlich.
Es roch nach Zigarettenrauch. Aus der offenen Wohnzimmertür kam die klassische Musik, die er bereits von seinem Posten aus gehört hatte.
Nur noch drei Schritte bis zur Tür. Noch zwei. Jetzt konnte er in den Raum sehen.
Der Mann saß halb abgewandt in einem Polstersessel und las. Auf einem Nierentischchen daneben lag die Schachtel, die er vorhin aus der Küche geholt hatte. Gerade holte er sich eine längliche Schokowaffel heraus und
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