Die Zeit, die Zeit (German Edition)
nicht: dass wir es auf den elften Oktober schaffen. Nicht ohne Hilfe. Viel Hilfe. Und nicht ohne Geld. Viel Geld.«
»Geld lässt sich beschaffen. Am Geld kann es nicht scheitern.« Und dann setzte er in dringendem Tonfall hinzu: »Am Geld darf es nicht scheitern!«
»Und wie wollen Sie es beschaffen?«
»Du. Wie willst du es beschaffen.«
»Wie?«
»Du bist der diplomierte Buchhalter, nicht ich.«
»Rechne nicht mit mir.«
»Ich habe sonst niemanden.«
Der Wein und das vertrauliche Gespräch hätten Peter Taler beinahe dazu verführt, ihm schonend beizubringen, was er in den nächsten Tagen vorhatte. Aber dann entschloss er sich mitzuspielen: »Wie sieht es mit einer Hypothek aus?«
Knupp winkte ab. »Es sind schon zwei auf dem Haus.«
»Verkauf? Die Anzahlung würde vielleicht reichen.«
»Und wo leben wir danach?«
Mit »wir« meinte Knupp »Martha und ich«. Er sah Taler so ratlos und verzweifelt an, dass der sagte: »Vielleicht gibt es eine andere Lösung.«
»Nicht wahr? Das gibt es?«
Als Knupp sich verabschiedete, aufgeräumt und zuversichtlich, fragte Taler: »Wie viel Geld ist denn noch da?«
»Etwas über sechstausend. Und meine Rente für den nächsten Monat. Insgesamt etwa dreitausendsechshundert.«
Auf Peter Talers Konto hatten sich durch seinen zurückgezogenen Lebensstil plus das mit Laura gemeinsam Ersparte etwas über dreißigtausend Franken angesammelt. Er beschloss, damit zum Abschied Knupps Konto aufzustocken.
Gab es einen besseren Erben als einen Greis, der noch an Wunder glaubte?
16
Den Sonntag verbrachte Peter Taler in seiner Wohnung. Die Symptome der Erkältung waren etwas abgeklungen, aber von einer seltsamen Schwermut abgelöst worden. Er hatte begonnen, Abschied zu nehmen.
Die Dinge, die ihn umgaben, hatten ihre Selbstverständlichkeit verloren. Alle trugen ihre Geschichte wie Preisschilder, alle drängten ihm die Erinnerungen auf, mit denen sie verbunden waren.
Peter strich in Pyjama, Halstuch und Bademantel in der Wohnung umher und legte eine schwere Hand mal auf diese Stuhllehne, mal auf jenes Regal.
Wieder war es Knupp, der ihn aus der Lethargie riss. Diesmal kündigte er seinen Besuch wenigstens telefonisch an. Er brachte einen kleinen Milcheimer Pot-au-feu mit, etwas Brot und eine Flasche Wein.
Peter Taler freute sich über den Besuch des alten Mannes. Er war für ihn bei aller Verschrobenheit doch so etwas wie ein väterlicher Freund geworden. Und er war froh um jeden, der ihn ablenkte von sich selbst.
Sie aßen die Suppe am Esstisch im Wohnzimmer. Aschgraue Wolken hingen über dem Gustav-Rautner-Quartier. So finster war es um die Mittagszeit, dass Taler im Wohnzimmer Licht gemacht hatte.
»Von hier aus kannst du mir tatsächlich in den Teller schauen«, hatte Knupp bemerkt, als er die Aussicht aus dem Blumenfenster sah.
»Der Inhalt deiner Teller interessiert mich erst, seit ich weiß, wie gut du kochst.«
»Ich habe mich oft gefragt, warum du jeden Tag an diesem Fenster standest wie ein Geist.«
»Kurz vor Lauras Ermordung war da draußen etwas anders gewesen als sonst. Ich wollte herausfinden, was es war, und hoffte, dadurch dem Mörder auf die Spur zu kommen.«
»Hast du es herausgefunden?«
»Ja. Es waren die Pflanzen, die du ausgewechselt hattest.«
»Aber dem Mörder auf die Spur gekommen bist du dadurch nicht.«
»Auf Umwegen schon. Weil das Gefühl, etwas sei anders, wiederkehrte, kam ich auf die Idee, ein Foto zu machen. Als Referenz für ein nächstes Mal. So bin ich auf Lauras Foto gestoßen. Und dadurch auf den Mopedfahrer.«
»Der mysteriöse Mopedfahrer.«
»Er ist nicht mehr mysteriös. Ich weiß, wer er ist. Er wohnt in der Dreiundvierzig.«
»Bist du sicher?«
»Hundertprozentig. Ich habe ihn gesehen, sogar mit ihm gesprochen. Ihm sogar die Hand gegeben.«
»Ich meine: Bist du sicher, dass er der Mörder ist?«
»Er hatte ein Motiv.«
»Welches?«
»Ich will nicht darüber sprechen.«
Knupp nickte verständnisvoll. »Und über das, worüber du nicht sprechen willst, bist du dir auch sicher?«
Peter zögerte. »Es gibt leider ganz deutliche Hinweise in Lauras Sachen.«
»Verstehe. Und was macht die Polizei?«
»Die Polizei ist nicht involviert.«
»Weshalb nicht?«, fragte Knupp erstaunt.
»Es ist eine Sache zwischen ihm und mir.« Taler trank das Glas leer und schenkte sich nach.
»Peter?« Knupps Stimme klang sehr ernst.
»Was?«
»Mach keine Dummheiten.«
»Dummheiten? Ganz bestimmt nicht.«
Als Peter Taler
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