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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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versuchte den Ärmel von seinem Sweatshirt hochzuziehen, aber Taler schrie auf.
    Kurt erhob sich, ging Richtung Tür, besann sich, nahm die Pistole, erst dann ging er hinaus.
    Peter hörte ihn in einer Schublade hantieren, kurz darauf kam er mit einer Haushaltschere zurück und schnitt ihm ohne Umschweife den Ärmel auf. Ein Bluterguss hatte den Unterarm bereits beinahe auf den doppelten Umfang anschwellen lassen. Kurt hob Talers Hand ein wenig an. Es fühlte sich an, als hätte er ihm ein Messer in den Knochen gerammt. Taler schrie auf.
    »Gebrochen«, stellte Kurt fest.
    »Bist du Arzt?«, fragte Taler und biss sich auf die Lippe.
    »Hoffentlich eines Tages.« Wieder ging er raus und kam mit einem Geschirrtuch, einem Glas Wasser und einer Pille zurück. »Da, gegen die Schmerzen.«
    Er half Taler auf einen Stuhl und machte ihm eine Armschlinge. Dann setzte er sich wieder in seinen Polstersessel. »Jetzt warten wir, bis die Schmerzen zurückgegangen sind, und dann nimmst du ein Taxi in die Notfallstation.«
    »Keine Polizei?«
    »Ich bin nicht so der Polizei-hol-Typ.«
    »Danke.«
    Während des ganzen Aufruhrs hatte die klassische Musik weitergespielt. Jetzt, wo beide schwiegen, trat sie wieder in den Vordergrund.
    »Hättest du mich umgebracht?«
    »Wenn ich ganz sicher gewesen wäre.«
    »Das warst du doch.«
    »Du hättest es zugeben müssen.«
    »Und dann? Wenn ich tot gewesen wäre?«
    »Hätte ich mich erschossen.«
    »Und wenn du den Richtigen findest, machst du es genauso, nicht wahr?«
    Taler nickte.
    Der Schmerz ging nicht weg, aber er beherrschte nicht mehr jede seiner Empfindungen. Taler fragte: »Entschuldige, aber ich muss es wissen. Es ist wichtig. Hast du etwas mit Frau Keller? Verstehst du, wie wichtig das für mich ist?«
    Kurt sah ihm in die Augen. Nach einer langen Pause sagte er: »Du hältst das Maul, okay? Sonst gibt es eine zweite Tote in eurem Haus.«

17
     
    Vor Knupps Haus stand ein großer Kranlastwagen mit der Aufschrift »Garten Wertinger – Gärtnerei und Baumschule«. Auf der hinteren Hälfte der Brücke lagen kreuz und quer Büsche und Sträucher mit anklagend zum Himmel gereckten Wurzeln. Auf der vorderen warteten hübsch ausgerichtet die letzten drei Containerpflanzen, bis sie an die Reihe kamen. Der Ausleger ragte weit in den Garten hinein, ein Strauch hing daran und wurde von zwei Männern in Arbeitskleidung in Empfang genommen. Knupp stand daneben, sah aufgeregt von seinem Klemmbrett zur Pflanze und wieder zurück und gab Anweisungen.
    Peter Taler ging durch das offene Gartentor, blieb auf dem Plattenweg stehen und sah zu. Sein Arm war provisorisch geschient, bis die Schwellung zurückgegangen war und der Bluterguss sich aufgelöst hatte. Er trug eine blaue Schlinge mit Klettverschlüssen. Die Speiche war gebrochen und die Elle angerissen. Schmerzen hatte er im Moment keine. Man hatte ihn großzügig mit Schmerzmitteln versorgt.
    Taler hatte die Nacht im Spital verbracht und war vor einer Stunde nach Hause gekommen. Es war ein eigenartiges Gefühl gewesen, wieder an dem Ort zu sein, von dem er vor ein paar Stunden für immer Abschied genommen hatte.
    Der Garten glich einer Baustelle. Überall lagen Erdhaufen, die neuen Pflanzen standen in großen Höfen aus Erde, der Rasen war in einem desolaten Zustand.
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Knupp realisierte, dass es sich bei dem Neuankömmling nicht um einen der Gärtner handelte. Er humpelte auf Taler zu und umarmte ihn. Vorsichtig, aus Rücksicht auf den Arm. »Ich bin so froh.«
    Knupp stellte keine Fragen, Taler gab keine Erklärungen. Sie standen nur nebeneinander und sahen zu, wie das, was sie so lange vorbereitet hatten, langsam Formen annahm.
    Die Gärtner waren längst gegangen, aber Knupp und Taler befanden sich noch immer im Garten und verglichen die neuen Pflanzen mit ihren Unterlagen. Da und dort waren kleine Korrekturen nötig, man musste schneiden oder binden. Aber es sah gut aus. Und die Narben im Rasen ließen sich durch Grasziegel heilen. Bis zum elften Oktober würde alles zusammenwachsen, hatte Wertinger junior versichert.
    Aber es wurde schon bei den wenigen Handreichungen, die bei dieser Bestandsaufnahme nötig waren, beiden klar, dass der einarmige Peter Taler mit seiner linken Hand nicht mehr zum Gehilfen taugte. »Sieht aus, als bräuchtest du auch einen Gehilfen«, stellte Knupp fest.
    »Mehr als einen«, antwortete Taler.
    Auf dem Heimweg ging er bei der Nummer dreiundvierzig vorbei. Es war ein

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