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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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komplizieren.« Was sagte er da? Bei Vertretern seiner Generation wußte man nie, wo man dran war. Sie waren so scheinheilig. Vielleicht hatte er von Anfang an nur Sex im Sinn gehabt. Er fuhr sich mit der linken Hand durch das Haar und sah plötzlich zehn Jahre jünger aus. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe laut gedacht und Ihnen den Schluß einer langen, düsteren Gedankenkette verraten. Das war unverzeihlich. Aber setzen Sie sich doch wieder!«
    Sie setzte sich wieder. Sie überlegte, was sie antworten würde, wenn er sie direkt fragte. Doch solche Worte von diesem Mann mit dem milden, verklemmten Gesicht? Unmöglich. Und er hatte sie doch beschuldigt, sie kompliziere die Dinge. Sie drehte ihm das Gesicht zu. Er war auf der Hut, voller Ränke, anziehend.
    »Wollen Sie, daß wir Sex treiben, David?«
    In diesem Zusammenhang war es erlaubt, den Vornamen zu gebrauchen. Und die Frage verpflichtete keinen von ihnen. Doch er zuckte unmerklich zusammen. Wie ein Kind, das behauptet, es wäre nicht kitzlig.
    »Sex? Was für Gedankensprünge Sie machen, Liza. Ich weiß wirklich nicht …« Und jetzt blickte er doch tatsächlich auf seine Uhr! Du meine Güte, so umständlich, so ausweichend, anstatt einfach zu sagen »nein, danke!« Als ob es wichtig gewesen wäre! »Ich fürchte, ich … das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, mir das anzubieten, aber … Nun, Tatsache ist, ich wollte Sie eigentlich um etwas ganz anderes bitten.«
    Die typischen losen Enden seiner Altersgruppe. Ihre Frage hatte sofort eine Erektion bei ihm ausgelöst, und trotzdem sagte er immer noch nicht ja. Sie tätschelte seine Hand, die die ihre noch hielt. Er entzog sie ihr, als ihm das zu Bewußtsein kam. Er war bedauernswert und ein Ärgernis zugleich. Niemals, niemals in seinem ganzen Leben würde er etwas aus reinem Vergnügen tun …
    »Ich hätte den Professor selbst darum gebeten; aber die Sache ist etwas heikel. Ich bin nicht gerade der Taktvollste. Wissen Sie, ich erwarte heute oder morgen den Besuch des Gründers. Einer seiner ›Überraschungsbesuche‹. Und da fragte ich mich …«
    Er war arg verlegen. Sie mußte ihn wirklich aus dem Konzept gebracht haben. Sie half ihm: »Sie fragten sich?«
    »Nun, wir müssen ein Experiment in der Zeitreise – äh, Pardon, ich meinte die chronomische Einheit – vorführen. Es gab doch Versuche, die hundertprozentig erfolgreich waren, oder nicht?«
    »Selbstverständlich gab es sie. Die einfachen Molekularstrukturen – Metalle zum Beispiel – machen überhaupt keine Schwierigkeiten.«
    »Das dachte ich mir. Der Gründer wird bestimmt das Laboratorium aufsuchen …«
    »… und Sie wollen, daß wir ihm ein gelungenes Experiment vorführen, auch wenn das für uns reine Zeitverschwendung ist.«
    »Auch dann, leider. Sie müssen verstehen, er wird unruhig.« Er nahm ihren Einwand voraus. »Ich weiß, daß das unvernünftig von ihm ist. Ich weiß, daß Sie gewaltige Fortschritte machen. Trotzdem …«
    »Trotzdem kosten wir ihn eine Menge Geld, und er will sich überzeugen, daß er etwas für sein Geld bekommt.«
    Ihre Abneigung gegen den Gründer wuchs. Bezahlung nach Resultaten, etwas haben wollen für sein Geld – als ob wissenschaftliche Forschung nach Kubikmetern Verkaufsraum im Supermarkt berechnet werden konnte, die in der Woche regelmäßigen Gewinn abwarf. Ein Supermarkt mit Kletterrosen und Löwenmaul, Pseudo-Bauernhäusern und einem Pseudo-Rathaus am Ende einer Pseudo-Dorfstraße.
    »Und was sagt er zu all den teuren Attrappen, die hier herumstehen, Mr. Silberstein? Wie kann er über Kosten klagen, wenn er selbst …«
    »Werden Sie nicht so bitter, Liza.« Er sprach jetzt mehr im Zorn als in Trauer. »Er darf schließlich sein Geld ausgeben, wie es ihm beliebt. Das ist sein gutes Recht.«
    Vielleicht war sie ein wenig zu weit gegangen. Es war gut, daß er sie zurechtwies. Sie hätte sich sonst noch mehr vergessen.
    »Bitter? Mein Gott …!«
    »Sie sind sehr abgespannt, Liza.«
    »Das behaupten alle Leute. Ich bin vollkommen in Ordnung.«
    »Sie sind abgespannt, und die Zeit ist jetzt besonders wichtig für Sie. Wichtiger als für uns andere. Professor Krawschensky erwartet viel von Ihnen.«
    »Nicht mehr, als ich gern zu geben bereit bin.«
    »Natürlich, ich weiß das. Ich bin kein Narr, Liza.«
    Er war so gelassen und altmodisch. Er zwang sie zu altmodischen Antworten. Trotz ihrer Gereiztheit hätte sie sich am liebsten an seiner Schulter ausgeweint und ihn danach in einen dunklen

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