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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Winkel gezogen, wo er seine Scheu abgelegt hätte. Dort hätte sie ihn ausgezogen und Sex mit ihm getrieben. Es wäre der netteste, doch unwahrscheinlichste Weg gewesen, sich von ihren Spannungen zu befreien.
    Die Bienen summten. Der Garten duftete nach Lavendel und Goldlack. Und nach alten Filmen. Vielleicht hätte sie ihn sogar geküßt, wenn er sich nicht im gleichen Augenblick vorgebeugt hätte, um aufzustehen. Ihre Nasen stießen zusammen. Die Situation wurde den alten Filmen immer ähnlicher.
    »Ich werde das mit dem Professor schon regeln«, sagte sie. »Ein Bleiklumpen, der verschwindet, macht immer Eindruck. Wir werden das Experiment noch heute vorbereiten.«
    »Vielen Dank.« Er stand vor ihr und verbeugte sich leicht. »Es tut mir sehr leid, daß ich seine Zeit mit solchen Dingen vergeude; aber es muß eben sein … Und ich meinte wirklich, was ich vorhin über Sie gesagt habe. Sie sind kompliziert. Liza. Vielleicht das komplizierteste Mädchen vom ganzen Dorf.«
    Die typische Floskel, um sich aus der Affäre zu ziehen. Er ging rasch davon, um sich nicht weiter erklären zu müssen. Durch das Gattertor und die Straße hinunter, noch einmal winkend, ehe er hinter dem Fliederbusch vor der nächsten Haustür verschwand. Nur daß die nächste Haustür, die übernächste und überübernächste alle Attrappen waren, Tarnung für die Front des Laboratoriums. Was, zum Teufel, wußte er schon von Frauen und ihren Komplikationen?
    Sie kauerte sich verdrossen auf der Bank zusammen, die Hände in den Taschen ihres weißen Kittels, als friere sie. Es war eine verfluchte Zeit für alle Frauen … Aufgrund ihrer Jobs, der Pillen, ihrer Ausbildung und Muskelfortbildung wurden sie nicht mehr verhätschelt wie früher. Aufgrund ihrer Nacktheit und der Artikel über die Stimulation der Clitoris im Reader’s Digest waren sie keine geheimnisvollen Geschöpfe mehr, die man anbetete. Aufgrund des Männermangels und des Frauenüberschusses konnten die Männer nach Belieben wählen, statt zu werben. Sie waren nur noch Spiegel der männlichen Eitelkeit. Aufgrund der Übervölkerung der Erde versagten sie sich große Familien, obwohl das oft ihr innigster Wunsch blieb. Und wenn sie tatsächlich Kinder bekamen, handelten sie gegen den Rat der Kinderpsychologen, folgten ihrem Erziehungszwang, gaben die Kinder so früh wie möglich auf, um sich Jobs als Rechtsanwälte, Politiker, Statistiker und Jugendpsychologen zu suchen.
    Als Belohnung dafür bekamen sie ihr eigenes Bankkonto, ihre eigenen Hypotheken, ihre eigenen Namen nach der Heirat und eine erhebliche Zunahme öffentlicher Bedürfnisanstalten. Fürwahr es war eine herrliche Zeit für alle Frauen.
    Liza Simmons ließ ihre Gedanken wandern, während sie so auf der Gartenbank saß Niedergeschlagenheit, Gereiztheit, Trübsinn mischten sich in unklarer Folge, bis sie sich auf einen Punkt konzentrierten: David Silberstein. Sie hätte ihn dafür hassen können, daß er auf seine Uhr blickte, statt auf ihre Brüste, und daß er ihr die Aufgabe überlassen hatte, seine Befehle an Professor Krawschensky weiterzugeben. Der Professor würde sehr verärgert sein, denn es dauerte eine Weile, bis man die Pulsgeneratoren und die Beschleuniger auf das schmale anorganische Spektrum eingestellt hatte. Die Experimente mußten unterbrochen werden, weil man das Spektrum nur für die tote Materie verwenden konnte. Und die Zeit brannte ihnen auf den Nägeln.
    Das war alles so widersinnig. Wenn Manny Littlejohn wirklich ungeduldig wurde, warum wollte er dann, um seine Nerven zu beruhigen, eine Programmverzögerung? Ein Experiment, das im Grunde nur ein sinnloses Gleichnis bedeutete? Er konnte doch nicht so dumm sein, dachte Liza. Sie kehrte ins Laboratorium zurück, um Professor Krawschensky bei der Vorbereitung des nächsten Experimentes zu helfen.
    »Mein liebes Kind, wo haben Sie denn so lange gesteckt? Ich suche Sie schon überall.« Offensichtlich hatte er sich nicht einen Schritt von seinem Pult wegbewegt und sie unter seinen Papierbergen gesucht. »Und wo ist denn Mr. Silberstein geblieben?«
    »Er ging vor ein paar Minuten. Wahrscheinlich dringende Arbeiten in seinem Büro.«
    »Seltsam. Ich habe ihn gar nicht weggehen sehen … Meine Frau hat ganz recht. Ich sollte mehr auf meine Umgebung achten.« Er starrte sie an, sah sie vielleicht zum erstenmal seit Wochen wieder als Mensch und Frau. Liza wünschte, er wäre bei seinen abstrakten Vorstellungen geblieben. Die Dinge, die sich entwickeln

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