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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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beherbergte, war für sie ein beruhigendes Symbol (war mit dieser Absicht auch so entworfen), eine Bestätigung, daß ein Ausweg gefunden werden würde, wenn jeder seine Arbeit richtig tat. Liza hatte nichts, was ihr Ruhe und Zuversicht geben konnte. Nur sie allein im Dorf wußte – denn wer konnte schon sagen, was Professor Krawschensky sich zu glauben gestattete? –, sie allein wußte, daß die Tür des dahinrollenden Wagens noch immer so verschlossen war wie eh und je.
    Sie lehnte den Kopf an die Wand über der Wanne. Der Zeitpunkt schien ihr nahe, wo sie das Fummeln mit Instrumenten aufgeben und statt dessen sich in Würde und Demut fügen würde, daß jede Zukunft, jede Erosion, jeder Tod logisch und verdient ist und ein sehr unbedeutendes Ereignis im Schema der Dinge. Die Zukunft würde zwar noch etwas bedeuten, aber nicht als etwas, gegen das man sich wehrte, sondern in das man einstimmte. (Der Zeitpunkt für diese Idee war tatsächlich noch viel weiter entfernt, als sie ahnte, denn sie war noch sehr jung, und diese Idee war sehr alt.)
    Hinter ihr stand der Professor schon wieder am Pult, arbeitete an einer neuen Zahlenreihe, brummelnd, Voraussetzung auf Voraussetzung bauend, die Finger auf den Tasten, Märchen für den indifferenten Computer ersinnend, die dieser abwägte und verwarf. Und daneben stand Silberstein und sah durch ein Visier der Gleichgültigkeit zu. Ebenfalls urteilend und wägend. Sie ging aus dem Labor. Sie war nicht verantwortlich (auch wenn sie sich darum bemühte) dafür, daß der Professor einen Narren aus sich machte, für die Lückenhaftigkeit seines Genies. Sie ging die paar Stufen zum Garten hinunter. Der Professor bemerkte ihr Weggehen nicht. Auch David Silberstein nicht, dem sonst eigentlich nichts entging.
    Sie setzte sich auf eine grüngestrichene Bank am Rand der Wiese zwischen Stockrosen, Mauerblümchen, Rittersporn und Löwenmaul, bewußt gezogene Gartenblumen, die am Zaun wucherten. Die Leute sagten, wie zur Verteidigung, daß Manny Littlejohn Geschmack habe. Doch in ihrer gegenwärtigen Verfassung hielt sie dieses Organisationstalent, das nichts übersah, für vulgär. Und für unverschämt.
    David Silberstein kam die Stufen vom Laboratorium herunter. Sie wußte, daß er es war, ohne den Kopf wenden zu müssen. Sein gemessener Gang, weil er das Reiben der Gesäßbacken aneinander für ordinär hielt und es deshalb tunlichst vermied. Am Fuß der Treppe sang er, mehr für sich, die ersten zwei Verse eines mittelalterlichen Rundtanzes:
    Summer is icumen in,
    Lhude sing cucu!
    Gleich würde er sich neben sie setzen und zu ihr sprechen. Sie schloß die Augen und die Ohren und streckte sich unter der Sonne. Es war eine erotische Bewegung, doch sie konnte auch ganz unbewußt gewesen sein. David Silberstein kam zu ihr, setzte sich neben sie und sprach: »Sie sehen so niedergeschlagen aus, Liza. Manchmal müssen Sie wohl denken, daß Sie es nie schaffen werden.« Er wollte also über die Arbeit reden. Liza verharrte in ihrer gestreckten Haltung und bewegte sich nicht. »Nehmen wir einmal an, Sie schaffen es wirklich nicht, Liza. Das ist eine Möglichkeit, die man in Betracht ziehen muß. Vielleicht wäre das sogar die beste Lösung …«
    »… die beste Lösung?« Sie richtete sich jäh auf. Ältere Leute waren unerträglich. »Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen!«
    »Ich meine, daß wir Verantwortung haben … Wenn unsere Umgebung zusammenbricht, wenn die Katastrophen sich häufen, werden wir dann nicht gebraucht? Sollten wir uns wirklich so beeilen, der Zeit zu entrinnen?«
    »Ich bin Wissenschaftlerin. Meine vornehmste Pflicht ist die Wissenschaft.« Das war nur eine These. Wie hatte sie sich nur in so eine Diskussion verwickeln lassen können?
    »Unsinn«, erwiderte David Silberstein. »Sie wollen sich einer Theorie verpflichtet fühlen? Einem bloßen Gedankengebäude?«
    Das war unerhört. Man drang in ihre Privatsphäre ein. Und wo blieb seine Reserve, sein liebenswertes Taktgefühl? Sie stand auf.
    »Es ist lächerlich, von Niedergeschlagenheit zu reden, nur weil ein paar Experimente nicht ganz hielten, was sie versprachen.« Sie legte absichtlich seine Worte als Attacke gegen den Professor aus. »Jedes Experiment ist ein notwendiges Glied in einer langen Kette. Professor Krawschensky weiß ganz genau, was er tut.«
    Silberstein hielt ihre Hand fest und verhinderte so, daß sie sich seiner Gegenwart entziehen konnte.
    »Meine Liebe, sie müssen die Dinge nicht so

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