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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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lautesten, war am hysterischsten. Deshalb drehte sich Manny Littlejohn auch gehorsam und weise um und kletterte die Leiter hinunter in das wartende Boot.
    Seine Abreise war keineswegs verfrüht. Ein apathischer Budenbesitzer, der sich an einen Poller lehnte, wartete, bis der alte Mann und seine Begleiter weit genug entfernt waren, und brachte dann den Mut auf, ihnen nachzuspucken. Seine Tat wurde von einem Mitglied des Mobs beobachtet, der ihn schon wegen seiner Untätigkeit ins Wasser werfen wollte. Die Sprache des Spuckens ist universal. Erklärungen waren dabei nicht nötig und wegen der blökenden Sirene auch unmöglich. Innerhalb weniger Sekunden war der Kairand eine zornige Menschenmauer, die alles, was sie in die Hand bekam, dem rasch davongleitenden Boot von Manny Littlejohn hinterherwarf.
    Der Panzerwagen war inzwischen von einem Rudel Minicars am Rückzug gehindert worden. Das Fenster des Fahrerhauses bekam Risse und Sprünge unter dem anhaltenden Trommelfeuer von Ziegelsteinen und Hitzeschaum. Als Antwort versprühte der Fahrer Juckgasspray.
    Die Menge zog sich einen Augenblick zurück. Ihr Heulen wurde immer noch von dem Blöken der Sirene übertönt. Sie kratzten sich an allen Stellen, wo sich auf ihrer Haut (harmlose) Blasen bildeten.
    Doch die Erfahrenen unter ihnen (die immer Medikamente für solche Fälle bei sich hatten), die Elite, der eigentliche Mob, umkreiste vorsichtig den Panzerwagen. Die Besatzung im Fahrerhaus wartete ab, hoffte, daß die Fenster durchhalten und der Hitzeschaum, der jetzt das ganze Dach bedeckte, sie nicht lebendig rösten würde, bis der Mob das Interesse an ihnen verlor und sich zerstreute. Denn wenn sie das Führerhaus verließen, würden sie in der momentanen Phase der Entwicklung entweder getötet oder sexuell verstümmelt.
    Der Hitzeschaum fraß die Reifen auf, bis der Wagen mit den Bremstrommeln aufsaß. Die Aufbauten erdeten sich selbst, und die elektrische Ladung schloß mit einem kleinen Blitz kurz. Als der Mob das sah, stürmten die Männer und Frauen sogleich den Wagen, rutschten auf den soße- und fetttriefenden Panzerplatten aus. Jemand fand die Öffnung für die Sirene, und das Blöken verstummte. Die Menge jubelte. Ein paar aktive Teilnehmer, die die Warnung vergessen hatten, kein Wasser auf die (harmlosen) Juckblasen aufzutragen, starben jetzt an den gewaltsamen chemischen Reaktionen. Die Menge jubelte immer lauter. Jemand stellte aus einer menschlichen Regung heraus wieder die Musik an. Die Menge auf dem Panzerwagen verlor das Interesse an der Belagerung. Das Verstummen der Sirene war immerhin ein Sieg. Ein paar von ihnen begannen zu tanzen, rutschten auf der Eiskrem aus und fielen auf den Hintern. Sie richteten sich auf und schüttelten sich, von sich selbst angewidert. Die letzte Pose, der krönende Abschluß, bildete ein junger nackter Mann mit roten Haaren, der auf die Motorhaube sprang, die Beine spreizte und einen goldenen Strahl gegen die Scheibe und die Männer dahinter richtete. Als seine Blase leer war, begleitete der Jubel der Menge die letzten Tropfen, die er von seinem Dingsda schüttelte.
    Doch für die Männer im Fahrerhaus war das eine verschwendete Geste. Der Fahrer hinter dem Panzerglas war bereits tot, die anderen bereits von der Hitze und dem Hitzschlag zu sehr mitgenommen, als daß ihnen das bißchen Urin noch etwas ausgemacht hätte.
    Erst jetzt schwärmten die Polizisten aus, in Gasmasken, Schutzkleidung, mit Schilden, Schlagstöcken und Betäubungsgewehren bewaffnet. Während sie sich eine Gasse durch die erschöpfte Menge hieben, kam vom Panzerwagen keine Reaktion mehr. Offenbar waren die Flanken des Wagens so heiß, daß man sie selbst mit Schutzhandschuhen nicht mehr anfassen konnte. Einer der Beamten räumte mit dem Knüppel den Hitzeschaum vom Dach, ein anderer bellte Befehle gegen die Schutzscheibe, ohne daß die Türen vom Fahrerhaus geöffnet wurden, die sich offensichtlich nicht von außen öffnen ließen. Nach einer kurzen Besinnungspause ließ der mit Befehlsgewalt bekleidete Beamte einen Abschleppwagen holen, um den Panzerwagen zum Revier zu bringen, wo man stahlbrechende Geräte und eine Leichenkammer zur Verfügung hatte.
    Das letzte, was Manny Littlejohn von seinem Panzerwagen sah, waren die Bremstrommeln, die über das Pflaster holperten, während das Führerhaus am Haken des Abschleppwagens baumelte. Die Lage der drei Männer im Führerhaus konnte man sich leicht ausdenken. Mit heraushängenden Zungen und geplatzter

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