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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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nicht sah, wurde man auch nicht gesehen. Er spürte keinen Ekel, als er sich anfaßte. Das kalte Wasser erstickte alles Triebhafte. Außerdem wußte er, daß seine Schande nicht einfach abgewaschen werden konnte. Nachdem er sich gewaschen hatte, ging er rückwärts wieder aus dem Wasser und ließ allmählich seinen Hemdsaum wieder sinken. Im Schutz der Mauer zog er sich die Hose über die kalte, unempfindliche Haut. Die Hosenbeine klebten an den nassen Haaren, und die Turnschuhe quietschten bei jedem Schritt.
    Jetzt konnte er sich verstecken. Er ging heim in seine Küche, wo die jüngste Vergangenheit von den Assoziationen eines ganzen Lebens verdrängt werden konnten. Er versteckte sich hier nicht vor dem Dorf, nicht vor Liza, nicht einmal vor sich selbst. Er mußte sich eine Zuflucht vor den Ausbrüchen des Nicht-Selbsts suchen, vor dem grauenhaften Außer-sich-Sein, vor dem Begehren, dem er sich immer verschlossen hatte, seit er erwachsen war. Er mußte sich vor einem schrecklichen Traum verstecken.
    Seine Katzen erwarteten ihn. Lautstark machten sie sich bemerkbar, stießen mit unverschämter Ungeschicklichkeit alles um, was ihnen im Weg stand, weil er sie volle zwei Tage lang vernachlässigt hatte. Er fütterte sie und vergaß bei den einfachen, vertrauten Bewegungen seinen Traum. Er sprach mit ihnen. Er nahm ihnen ihre Verachtung nicht übel, ihr ausschließliches Interesse für die Nahrung. Selbst die Katze, die ihn nicht zu kennen schien, der schwarze Kater, der wütend spuckte, während er sein Futter verschlang, störte ihn nicht. Katzen kamen und gingen. Für ein paar von ihnen war seine Küche nur eine Anlaufstelle, wo sie sich verpflegen konnten. Er starrte den Kater an, und er kam ihm irgendwie bekannt vor. Doch Katzen waren eben Katzen, eine Clique, wild, unabhängig, leicht zu besänftigen, aber nicht zu beeinflussen.
    Er ging durch den Raum, nahm den Kalender vom Nagel in der Nische und hielt ihn ins Licht, damit er sich besser an seinen Vater erinnern konnte. Er schlang eine Decke um seine Knie und setzte sich in einen Klappstuhl, der mit rot und blau gestreiftem Stoff bespannt war. Achtunddreißig Jahre spannen einen dichten Kokon um ihn. Der Traum blieb draußen, war nicht länger sichtbar. Er hatte Krankenhäuser schon immer gehaßt.
    Es war schon sechs Uhr, als die Nachtschwester, die alle Sichtschirme kontrollierte, entdeckte, daß Roses Varco verschwunden war. Sie weckte seine Zimmergenossin, Liza Simmons, konnte ihr aber keine brauchbare Auskunft entlocken. Selbst als Liza mit allen Reflexen da war, blieb sie in einem seltsam benommenen Zustand, seltsam einsilbig. Man ließ sofort das ganze Dorf durchsuchen.
    Inzwischen wurden die analytischen Aufzeichnungen der Nacht ausgewertet. Obgleich Liza in einem leichten Schockzustand erwacht war, was auf ein einschneidendes, seelisches Erlebnis zurückzuführen war, das sie gegen elf Uhr in der vergangenen Nacht hatte, wie die Ausschläge auf dem Millimeterpapier bewiesen, war sie physiologisch gesehen völlig normal. Roses Varco ebenfalls. Bis zu seiner Flucht aus dem Krankenhaus um zehn Minuten nach fünf hatte er keine Krankheitssymptome gezeigt. Sofort ging ein Radiospruch hinaus. Da man Roses Varco sowieso an diesem Morgen entlassen hätte, war es nicht nötig, ihn ins Krankenhaus zurückzubringen.
    Eine letzte Untersuchung konnte auch dort durchgeführt werden, wo man ihn aufstöberte. Da der Suchtrupp mit seiner Nachforschung in Roses’ Wohnung angefangen hatte, befanden sich die Beauftragten bereits an Ort und Stelle, als der Radiospruch eintraf.
    Roses sah zu, wie sich die Wachleute und Ordonnanzen vom Krankenhaus miteinander berieten. Sie konnten mit ihm treiben, was sie wollten, solange sie ihn nur nicht wieder ins Krankenhaus schafften. Dieser Krankenhausaufenthalt war ein Trick gewesen, ein Verrat von … Doch die Dinge, die im Krankenhaus geschehen waren, mußte er vergessen, durften einfach nicht passiert sein. Ein Mann mit weißem Kittel stellte sich vor ihn hin und erklärte, was sie jetzt mit ihm tun würden. Roses hörte nur so lange zu, bis er die Gewißheit hatte, daß er nicht mehr ins Krankenhaus zurückkehren mußte. Danach nickte er nur noch lächelnd bei jedem Satz.
    Um so erschrockener war er dann, als die Männer versuchten, ihm das Hemd auszuziehen. Schließlich mußten ihn vier Männer festhalten, während der fünfte die notwendigen Untersuchungen durchführte. Und die ganze Zeit über brüllte Roses wie ein

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