Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
schließlich eine feinfühlige Person. Es war so leicht, bei Intellektuellen die Schraube zu überdrehen. »Geben Sie mir jetzt bitte den Professor. Ich möchte ihm ebenfalls gratulieren. Eine großartige Leistung. Großartig …«
    Die Vollmacht, die von Manny Littlejohn unterschrieben und von David Silberstein und Professor Krawschensky gegengezeichnet war, wurde den angetretenen Chrononauten von dem Stellvertreter des verstorbenen Sir Edwin, also vom Dorfpsychiater, vorgelesen. Während sein Vorgänger und ehemaliger Vorgesetzter mit instinktivem Gespür für passende Gelegenheiten gehandelt hätte, machte das der Dorfpsychiater aus psychologischen Erwägungen. Schließlich war jetzt der Höhepunkt einer zweijährigen, intensiven Vorbereitungszeit gekommen, und dieser Höhepunkt verlangte nach einem Paukenschlag, nicht nur nach einem Zungenschlag. Die Chrononauten nahmen die Neuigkeit mit einem halblauten Hurra auf, mit echter, disziplinierter und temperierter Begeisterung. Dann marschierten sie in die Unterkunft, um das Los zu ziehen.
    Dort stand eine Maschine bereit, die extra für diesen Moment angeschafft worden war. Wenn man die Maschine in Gang setzte (sie war noch versiegelt), spuckte sie eine kleine goldene Uhr aus, auf der das Datum und der Name eines jeden Chrononauten aufgeprägt war. Das war ein passendes Andenken und ein persönlicher Einfall des Gründers. Wirklich schade, daß er der Ziehung nicht beiwohnen konnte. Wenn jeder Chrononaut im Besitz seiner Uhr war, wurden die hinteren Deckel der Uhren geöffnet. Und auf diesem Deckel stand dann auf der Innenseite, daß der Träger dieser Uhr die Ehre hatte, der erste (zweite, dritte, vierte und so weiter bis der zwölfte) Mensch zu sein, der in die chronomische Einheit eingehen durfte. Die Reihenfolge war nach wissenschaftlichen Zufallsfaktoren festgelegt worden. Und das Los für die erste »Zeitreise« wurde von einer Chrononautin gezogen, von Rachel Moser.
    Die anderen drängten sich um sie herum zeigten die von ihnen erwartete Kameradschaft, hinter der sich die erwartete Eifersucht versteckte und dahinter vielleicht auch noch die erwartete Erleichterung. Ihre Geschlechtsgenossinnen beherrschten dieses Spiel natürlich viel besser als ihre männlichen Kollegen. – »Wie wunderbar für dich, Darling! Und was wirst du für diese Reise anziehen?«
    »Du solltest dein rotes Kleid anziehen, Rachel. Du weißt ja, wie gut es dir steht.«
    »Und es ist so schlicht. Ganz recht – trage dein rotes Kleid. Man soll sich lieber bescheiden geben, bis man weiß, wie es um die Zukunft bestellt ist. Besser, wenn die Leute deinen Geschmack für altmodisch halten, als sich darüber aufzuregen, wie shocking du bist!«
    Einen Moment lang stand Rachel verträumt da, die Hände auf den nackten Hüften, und träumte davon, daß sie die Zukunft in ihrem roten Kleid eroberte. Doch dann riß sie sich wieder zusammen.
    »Unsinn«, sagte sie, »die ersten Zeitreisen werden doch nur zwei oder drei Minuten dauern. Dafür braucht man gar nichts anzuziehen.«
    »Trotzdem würde ich an deiner Stelle das Rote tragen, und wenn auch nur dem armen alten Krawschensky zuliebe.«
    Sie kicherten über diese respektlose Bemerkung und schielten rasch zu dem Dorfpsychiater hinüber. Das war echter Sportsgeist. Und trotz der gewaltigen Bildung waren sie doch alle typisch weiblich geblieben. Der Dorfpsychiater trat vor. Es standen immer noch die abschließenden Tests aus (körperliche und geistige). Er nahm artig ihren Arm und führte sie in die Testräume. Ihre Kolleginnen und Kollegen winkten und klatschten.
     
    Obgleich Gefühle bei Roses’ Erziehung und in seinen reiferen Jahren kaum eine Rolle gespielt hatten, war Roses doch entschieden sentimental. Und obwohl die Gerechtigkeit in seinem Leben nie Hilfestellung geleistet hatte, war der Glaube an sie in ihm fest verwurzelt. Als er deshalb die Katze, die ihm so wütend die Krallen über Arme und Beine gezogen hatte, tot in den Brennesseln hinter der Hoftüre fand, geriet er in einen ernsthaften Gefühlskonflikt. »Armes, kleines Biest«, stritt er sich, »das geschieht dir recht, du Teufel.«
    Ein paar Minuten lang rangen beide Gefühlsregungen miteinander.
    »Geschieht dir recht« gewann schließlich die Oberhand. Die Katze war ein undankbarer Bastard, hatte gekratzt und gefaucht, nachdem er sie aus den Händen des verrückten alten Professors gerettet hatte. Sonst hätte sie vielleicht am Ende noch auf der Bühne gelegen wie damals der

Weitere Kostenlose Bücher