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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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daß inzwischen fünf Minuten verstrichen waren, weil es für sie diesen Zeitraum nicht gab. Sie war jetzt genau fünf Minuten jünger als alle Menschen, die im gleichen Moment wie sie geboren worden waren.
    Und dieser Moment der »Zeitlosigkeit« ging jetzt natürlich zwangsläufig vorüber. Andere Momente folgten, brachten Verwirrung, brachten Schmerzen.
    »Kopf.« Sie runzelte die Stirn, hob die Hände, preßte sie gegen die Schläfen, schloß die Augen, riß sie wieder ganz weit auf. »Es tut weh – oh, tut das weh …«
    Der Arzt stürzte zu ihr. Noch bewegte sich keiner von den anderen Zeugen. Er nahm ihr Handgelenk, kauerte sich vor ihr nieder, blickte ihr in die Augen. Sie erkannte ihn wieder, versuchte zu lächeln.
    »Doktor … ich … ich müble und misch mascht … es mascht mich …«
    »Sprechen Sie jetzt nicht! Schließen Sie die Augen und entspannen Sie sich. Versuchen Sie nicht zu reden …«
    »Esch hilft mir. Esch …« Sie versuchte aufzustehen; aber es gelang ihr nicht. »Doktor, es wird mir mübel – nein – es mascht mich schwimblig. Nein – Sie muschen – muschen -«
    Ihre Sprache verlor jetzt jede Form und jeden Zusammenhang. Der Arzt half ihr vom Stuhl hoch. Sie verstummte und lächelte jetzt nur noch, lächelte jeden an, der im Labor diesen historischen Augenblick miterlebte. Sie deutete auf ihren Mund und schüttelte, immer noch lächelnd, den Kopf.
    »Mübel«, sagte sie, »mübel?«
    Wer sollte diese Frage beantworten können? David Silberstein fing an zu weinen. Wenn Rachel Moser wenigstens nicht dauernd gelächelt hätte. Sie zuckte mit den Schultern, bewegte sich schwerfällig die Stufen von der Startbühne hinunter. Im gleichen Moment läutete das Telephon.
    Manny Littlejohn erreichte den Apparat als erster. »Hier spricht der Gründer.«
    »Mr. Littlejohn?« Der Tierarzt war am Apparat. Manny Littlejohn schaltete rasch den Lautsprecher ab, damit nur er verstehen konnte, was der Mann ihm zu melden hatte. »Mr. Littlejohn, ich bin mit der Autopsie des Schafes soeben fertig geworden. Ich hatte von Anfang an einen Gehirnschaden vermutet. Deshalb …«
    »Ich weiß«, unterbrach Manny Littlejohn, »ich weiß.«
    »Schwere Schäden in allen Gehirnsubstanzen, wo die Intelligenz …«
    »Ich weiß es. Wir wissen es. Geben Sie mir Ihren Befund schriftlich, ja?«
    »Aber, Gründer, ich habe jetzt den Beweis von einem progressiven Zellenzerfall im Gehirn höherer Lebe …«
    »Schriftlich, wenn ich bitten darf, junger Mann!« Er seufzte, wappnete sich für einen Nachsatz, den er unbedingt anbringen mußte: »Und außerdem hätten Sie uns das früher mitteilen müssen. Ja. Sofort, als das Tier starb. Jetzt ist es bereits zu spät.« Er fragte sich, ob er dem Tierarzt nicht zu viel zumutete. »Ich weiß zwar noch nicht, wie ich jetzt verfahren werde; aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Ihren Namen vielleicht gar nicht erwähnen müssen. Ja, ja.«
    Er hängte ein und drehte sich langsam den anderen zu. Er begegnete Lizas Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Hinter ihr stützte der Arzt Rachel Moser, die immer noch ein verwirrtes, verlorenes Lächeln auf ihrem Gesicht trug. »Der Tierarzt war am Apparat«, sagte der Gründer. »Er hat mir gemeldet, daß das Schaf gestorben ist.«
    Er brauchte nichts mehr hinzuzusetzen. Jetzt mußte er bereits an die Folgen dieser katastrophalen Panne denken. Er blickte Rachel Moser nach, die sich nur noch stolpernd vorwärtsbewegte.
    »Ich habe den Eindruck«, sagte er dann, »daß die nukleische Methode als brauchbare Lösung den Beweis schuldig geblieben ist. Würden Sie mir in diesem Punkt recht geben, Igor, alter Freund?«
    Inzwischen stolperte Rachel Moser die letzten Stufen der Labortreppe hinunter. Sie spürte die Sonne auf ihrem Gesicht und in ihrem Kopf den Anfang einer namenlosen Angst. Sie hängte sich noch fester beim Doktor ein und lächelte ihn an. Lächelte in eine dunkle Welt. Lächelte und nickte, den Kopf ein wenig schief gelegt.

 
IX
     
    Roses Varco besaß die seltene menschliche Eigenschaft, überflüssig zu sein. Er war nicht wie die anderen: Er wußte nicht, was die anderen wußten; er fühlte nicht, was die anderen fühlten.
    Und wenn das Schlimmste zum Schlimmsten kam (obgleich das natürlich nicht passieren durfte), würde ihm keiner eine Träne nachweinen. Als menschliches Versuchskaninchen für die peripherische »Zeitreise« leistete er wahrscheinlich seinen ersten und voraussichtlich einzigen großen Dienst für die

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