Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
überquerten die Pyrenäen und griffen Septimania an, ein gotisches Reich in Gallien. Nun strömten Araber und Berber, Männer des Ostens und Afrikas, in den grünen Bauch Galliens.
Unter einem tüchtigen Feldherrn namens Abd al-Rahman waren bald sämtliche Städte der gallischen Mittelmeerküste in muslimischer Hand. Man schrieb das achte Jahrhundert – nicht einmal ein Jahrzehnt war vergangen, nachdem die ersten Araber die Meerenge überquert hatten.
»Sowohl auf maurischer als auch auf christlicher Seite gab es Verwerfungslinien«, sagte Sihtric. »Abd al-Rahman hatte ständig Probleme mit den Berbern. Einem Berber-Feldherrn namens Manuza gelang es, sich in Nordspanien, an der Grenze zu Gallien, ein unabhängiges Königreich aufzubauen. Sein gallischer Nachbar war Herzog Eudo von Aquitanien, der den französischen Königen offiziell die Treue gelobt hatte, sich jedoch wie Manuza nach Unabhängigkeit sehnte. Beide waren Steinchen in den Schuhen ihrer jeweiligen Regenten, verstehst du.
Nun, Abd al-Rahman besaß einen klaren Verstand. Er schüttelte die beiden Steinchen heraus. Erst tötete er Manuza, dann zog er über die Berge nach Aquitanien. Eudos Truppen wurden geschlagen, und Abd al-Rahman, der sein Heer persönlich anführte, stieß weiter vor, tief nach Gallien hinein. Fünfzehntausend Mann hatte er, die das Übliche taten – Ortschaften brandschatzen, Menschen versklaven und massakrieren und so weiter. Er kam bis auf zweihundert Meilen an Paris heran, zu einem Ort namens Poitiers.«
»Den kenne ich. Ist nicht weit von der Wallfahrtsstätte des heiligen Martin von Tours entfernt.«
»Und dort kam es zu einer historischen Wende«, sagte Sihtric. »Die Muslime standen an der Tür zum ›großen Land‹, wie sie es nannten, auf der Schwelle Westeuropas. Vielleicht konnten sie weitermarschieren – vielleicht konnten sie bis nach Konstantinopel vordringen.
Aber dort, auf der Römerstraße nördlich von Poitiers,
stand al-Rahman dem Heer des fränkischen Königs gegenüber, dem letzten großen Hindernis zwischen den Muslimen und ganz Europa.«
Orm kannte die Geschichte. »Karl Martell. Der Hammer.«
»Ja, aber Karl bekam den Beinamen ›der Hammer‹ erst nach seinem großen Sieg, nachdem er Europa für die Christenheit gerettet hatte. Eine Geschichte, die seither jedem jungen christlichen Krieger erzählt worden ist! Aber es hätte auch anders ausgehen können . Hier kommen wir nun zu dem Riss im Zeitteppich, Orm. Folgendes ist geschehen …«
Eudo von Aquitanien war verzweifelt, nachdem die Mauren seine Truppen besiegt, seine Städte gestürmt und sein Volk niedergemetzelt oder versklavt hatten. Sein einziger möglicher Verbündeter war Karl, der König der Franken, gegen den Eudo zuvor selbst Krieg geführt hatte. Eudo erwog, sich den Muslimen zu ergeben, die sich ihm und seiner Familie gegenüber vielleicht als gnädiger erweisen würden als die Christen.
»Er scheint eine ziemlich erbärmliche Gestalt und ein noch schlechterer Herrscher gewesen zu sein«, sagte Sihtric. »Aber dann wurde ihm Hilfe zuteil. Ein Mönch erschien in Eudos Lager. Er ritt nur einen bescheidenen Esel, wie Christus bei seinem Einzug in Jerusalem, und hatte nichts bei sich, keine Nahrung, nicht einmal eine Wasserflasche. Er war voll und ganz auf die christliche Nächstenliebe der Leute angewiesen, deren Länder er durchquerte. Er war ein eigenartiger Mensch, zu gut genährt für einen Mönch – und
redegewandt, auch wenn er Lateinisch mit einem seltsamem Akzent sprach. Er beeindruckte mit kleinen Wundern – mit Wahrsagerei, der Fähigkeit, schlimme Stürme, harte Winter und dergleichen vorherzusagen. Er sagte, sein Name sei Alfred, er komme aus dem berühmten Kloster Lindisfarne in England und habe eine Botschaft von Christus für Eudo.«
»Er war al-Hafredi.«
»Ja, ja, aber eins nach dem anderen, Wikinger. Er hätte getötet werden können, denn Eudos Soldaten duckten sich zu jener Zeit sogar schon furchtsam vor Schatten. Tatsächlich stahlen ihm die halb verhungerten Krieger seinen elenden Esel, schlachteten ihn und aßen ihn auf. Ihn selbst ließen sie jedoch am Leben, und er wurde zu Eudo gebracht. Und es gelang ihm, Eudo umzustimmen.«
»Wie?«, fragte Orm.
Sihtric hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was er zu Eudo gesagt hat. Ich weiß nicht, was er ihm versprochen hat, was er ihm gezeigt hat. Aber, Wikinger, wenn ich deine Zukunft kennen würde – deine gesamte Zukunft –, wäre es auch nicht
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