Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
der Halbmondflagge werden auf der Suche nach neuen Ländern, die man erobern, und neuen Völkern, die man bekehren kann, weit über den Horizont hinausfahren.«
»Und irgendwo in dieser islamischen Zukunftswelt«, sagte Orm, »brütet dein Freund al-Hafredi unversöhnlich vor sich hin.«
»Ja. Und nun kommt der seltsamste Teil der Geschichte. Genau wie in al-Andalus wird man das Christentum dulden – selbst tausend Jahre nach Abd al-Rahman.
Die verbitterten Mönche von Lindisfarne und anderen Orten werden allerdings nur noch kleine Nadelstiche des Christentums in einer muslimischen Landkarte sein. Christus wird durch sie weiterleben; al-Hafredi zitiert Matthäus, Kapitel 18: ›Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.‹ Aber überall sonst wird der Islam herrschen. Eine unerträgliche Situation, die ganze Welt verloren – und am Ende, fürchtete al-Hafredi, würde das Christentum endgültig ausgelöscht sein. Es musste etwas geschehen.
Die listigen Mönche werden also eine der fantastischen Maschinen der Mauren stehlen und einen Plan schmieden, sie gegen ihre Erfinder einzusetzen. Frag mich nicht, wie sie es anfangen – ich verstehe ja kaum das Was, geschweige denn das Wie. Aber sie werden einen Weg finden, einen Mann durch die Geschichte zu schießen, so wie meine Armbrust einen Bolzen über den Himmel schießen wird, so wie deine Zeugin ihre Worte übers Firmament zu Eadgyth geschickt hat – sie werden ihn nackt und allein in eine andere Zeit und an einen anderen Ort schießen.«
Orm verstand. »Sie haben al-Hafredi aus dem Lindisfarne
dieses zukünftigen Jahrhunderts nach Poitiers in der tiefen Vergangenheit geschickt.«
»So ist es. Das behauptet al-Hafredi jedenfalls«, sagte Sihtric mit fester Stimme. »Und wie es seine Mission vorsah, schlug er sich zu Eudo durch und stimmte diesen schwachen Mann um.«
Orm bemühte sich, das Gehörte zu verarbeiten. »Wenn das seine Mission war, hat er Erfolg gehabt. Dieses andere Europa ist jetzt vollständig ausgelöscht. Die Moschee von Paris, die große Bibliothek in London …«
»Es hat sie nie gegeben – und wird sie auch nie geben.«
Orm dachte an die schönen Dinge, die er hier in al-Andalus gesehen hatte, und erinnerte sich daran, wie die Normannen den Norden Englands drangsaliert hatten. »Findest du, dass diese Welt – unsere Welt – besser ist, Sihtric?«
Sihtric rümpfte die Nase. »Die andere Welt war nicht christlich; sie hatte keine Daseinsberechtigung.«
Orm studierte erneut das Pergament und strich mit einer Fingerspitze behutsam darüber. »Was ist das für ein Material – Ziege, Lamm? Warum hat dein vor langer Zeit gestorbener Schreiber kein besseres Leder benutzt? Diese Beschädigungen sind seltsam. Die hier sieht aus wie die Einstichwunde eines Pfeils. Ist dieses Tier gejagt und erlegt worden?«
Sihtric musterte ihn. »Kannst du dir nicht denken, was das ist, Wikinger? Schade, ich dachte, du würdest ausnahmsweise einmal Fantasie zeigen. Überleg doch.
Al-Hafredi hat einen Bericht über seine verlorene Zukunft in schriftlicher Form mitgebracht; vielleicht fürchtete er, dass er seinen Armbrustschuss durch die Zeit nicht lebend überstehen würde, hoffte aber, dass seine Botschaft trotzdem etwas bewirken würde … und doch ist er nackt gereist.«
Orm verstand. Er zog die Hand zurück. »Er hat seine Botschaft auf dem Körper getragen.«
Sihtric fuhr die Buchstaben auf dem Pergament mit dem Finger nach. »Auf den Rücken tätowiert, samt verdichteten Bibelzitaten und allem. Dieses Indiz für eine genähte Pfeilwunde ist ein Detail, das der ganzen Sage einen höheren Wahrheitsgehalt verleiht, nicht wahr? Und als er gestorben ist, Jahrhunderte außerhalb seiner eigenen Zeit gestrandet, haben ihm die Mönche, die ihn gepflegt hatten, die Haut vom Rücken geschnitten und sie wie ein Stück zur Beschriftung gedachtes Kalbsleder behandelt.«
Orm starrte die Menschenhaut an, die vom Körper eines Mannes aus einer verschwundenen Zukunft stammte. Er verspürte einen vagen Zorn. In was für einer seltsamen Welt lebte er, dass so etwas möglich war? »Und was hast du nun vor? Was willst du wegen all dem unternehmen?«
»Ich habe vor«, sagte Sihtric kalt, »al-Hafredis Beispiel zu folgen.«
»Was meinst du damit?«
»Al-Hafredis Worte haben mir eine islamische Zukunft gezeigt. Die Mauren mögen bei Poitiers zurückgeschlagen worden sein, aber der Islam ist immer noch
stark – er
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