Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
schwer, dich zu manipulieren. Vielleicht leuchtet dir das ein.
Jedenfalls überzeugte al-Hafredi Eudo davon, nicht die Waffen vor den Mauren zu strecken, sondern sich trotz seiner Feindschaft zu Karl auf Gedeih und Verderb den Franken auszuliefern und mit ihnen zusammen den Mauren entgegenzutreten. Und er erklärte Eudo hinter vorgehaltener Hand, wie die Mauren geschlagen werden könnten.«
»Und das hat Eudo überzeugt?«
»Offenbar. Denn genau das hat er getan.«
In jenem Oktober vor dreihundert Jahren sahen sich die Mauren also den Franken gegenüber, und die Zukunft ganz Europas stand auf dem Spiel. Die beiden Streitmächte waren einander ebenbürtig. Karl war ein bewährter Kriegsführer, ebenso wie Abd al-Rahman. Es folgten sieben Tage ergebnisloser Scharmützel und Erkundungen.
Schließlich kam es zur Schlacht. Eudos erschöpfte Truppen leisteten keinen großen Beitrag zu Karls militärischer Schlagkraft – aber die Ratschläge bezüglich des Kampfstils der Mauren und Abd al-Rahmans Denkweise, die Eudo ihm geben konnte, waren umso wertvoller.
»Die maurische Kavallerie griff an. Aber Karls Infanterie hielt stand. Die Muslime waren verblüfft. Sie waren es gewöhnt, dass die Christen bei ihren Vorstößen auseinanderliefen und die Flucht ergriffen. In diesem einen Moment wendete sich das Kampfgeschehen, genau wie al-Hafredi gesagt hatte. Und dann schockierte Karl die Mauren, indem er sie ungestüm attackierte.
In dem darauf folgenden Kampf kam Abd al-Rahman ums Leben. Ich habe mich immer gefragt, ob al-Hafredi etwas damit zu tun hatte – vielleicht verbarg er einen Dolch in seiner tristen Mönchskutte. Die Mauren waren jedoch keineswegs geschlagen. Sie hätten weiterkämpfen können, aber ohne ihren Anführer beschlossen sie, sich zurückzuziehen.
Die Schlacht selbst endete ohne eindeutiges Ergebnis.
Aber es war ein entscheidender Tag in unserer jeweiligen Geschichte – Beda aus Jarrow im fernen England wusste das. Die Mauren waren von der Meerenge zwischen Spanien und Afrika tausend Meilen weit nach Norden vorgedrungen. Nun waren sie endlich zurückgeschlagen worden. Obwohl sie das südliche Gallien weiterhin mit ihren Raubzügen heimsuchten, sollten sie nie wieder so weit nach Norden gelangen. Und nicht einmal hundert Jahre später unternahm Karl der Große, der Enkel des »Hammers«, Kriegszüge in die andere Richtung, über die Pyrenäen.«
»Die Christenheit wurde also gerettet. Und was ist aus al-Hafredi geworden? Wie hast du von seiner Geschichte erfahren?«
»Er wurde in der Schlacht angeblich verwundet – ein Pfeil in den Rücken, der jedoch nicht tief genug eindrang, um ihn zu töten. Er hat überlebt, und der dankbare Eudo sorgte dafür, dass er als eine Art Held gefeiert wurde. Al-Hafredi beschloss sein Leben in Spanien, in Santiago de Compostela. Er wurde nie seliggesprochen, doch nach seinem Tod hat man seine sterblichen Überreste bewahrt und in der Kathedrale des heiligen Jakob, des Maurentöters, beigesetzt.«
»Ich fand es schon immer ein bisschen abstoßend, dass die Christen so von Stücken ihrer heiligen Toten besessen sind«, sagte Orm.
»Du solltest froh darüber sein. Denn viel später, als al-Mansur Santiago überfallen hat …«
»Der Glockenräuber.«
»Genau. Bei eben jenem Überfall hat er sich mit den
Reliquien des al-Hafredi von Poitiers davongemacht und sie nach Córdoba geschafft. So bin ich auf sie gestoßen, als ich Hinweisen auf al-Hafredis Geschichte in anderen Berichten nachgegangen bin – und so habe ich schließlich das von ihm hinterlassene Testament gefunden.« Sihtric strich über sein altes Leder.
»Sein Testament. Seine Geschichte, wie er zu Eudo gekommen war.«
»Ja. Aber das ist nicht alles, Orm. In seinem Testament geht al-Hafredi weit über das Schlachtgeschehen hinaus. Er erzählt von einer anderen Historie . Einer Historie, die Wirklichkeit geworden wäre, wenn er in jener dunklen Oktobernacht nicht gekommen wäre, um den besiegten, selbstmordgefährdeten Eudo zu trösten. Einer Historie, in der die Mauren bei Poitiers nicht verloren.«
Dies sei die wahre Geschichte der Welt, bekundete al-Hafredi von Poitiers, wie er sie gelernt habe. In dieser Geschichte war kein Wandermönch gekommen, um Eudo umzustimmen.
Ohne den Ansporn des geheimnisvollen Alfred kapitulierte Eudo von Aquitanien vor Abd al-Rahman, der ihn als Geisel nahm, bevor er sich seiner entledigte. Als der König des Frankenreiches den Mauren ohne Eudo entgegentrat, war
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